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Geld heilt nicht

Entschädigungszahlungen für Opfer der Gewalt im Süden Thailands festgelegt

Von Thomas Berger *

Seit acht Jahren hält im äußersten Süden Thailands eine Gewaltwelle an, die Anfang Januar 2004 mit einem Überfall auf mehrere Einrichtungen der Armee begann und seither Tausende von Toten und Verletzten gefordert hat. In den drei muslimisch dominierten Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat sowie Teilen des benachbarten Songkhla kämpfen separatistische Rebellen für eine Abtrennung der Gebiete und eine Wiederbelebung des früheren Sultanats Pattani. Die Sicherheitskräfte des südostasiatischen Landes schlagen hart zurück und nehmen dabei immer wieder auch unbeteiligte Opfer in Kauf.

Nun geht die Regierung in Bangkok einen wichtigen Schritt zur Überwindung der dadurch immer weiter zugespitzten Krise. Eine von ihr eingesetzte Kommission unter Vorsitz von Justizminister Pracha Promnok, einem ehemaligen Polizeigeneral, hat die Höhe von Entschädigungszahlungen vor allem an die Hinterbliebenen jener festgelegt, die bei mehreren äußerst brutalen Einsätzen der Sicherheitskräfte ums Leben kamen. Die Summe variiert dabei zwischen 4,5 und 7,5 Millionen Baht, umgerechnet 115000 bis 190000 Euro. Die Höchstsumme sollen vor allem die Angehörigen der Opfer des sogenannten Tak-Bai-Massakers vom 25. Oktober 2004 erhalten. Eine Menschenmenge hatte damals vor einem Gefängnis in der Provinz Narathiwat für die Freilassung von sechs Männern demonstriert, die als vermeintliche Aufständische festgenommen worden waren. Die Situation eskalierte, mit Schlagstöcken und Tränengas gingen Soldaten gegen die Demonstranten vor, von denen sieben starben. Hunderte weitere Teilnehmer der Protestaktion wurden festgenommen und auf dafür viel zu kleinen Lkw zusammengepfercht, um sie zu einem Armeecamp in der Nachbarprovinz Pattani zu bringen. Als die Fahrzeuge ankamen, waren 78 Personen in der Enge und Hitze erstickt. Die damalige Regierung des heute im Exil lebenden Expremiers Thaksin Shinawatra »bedauerte« seinerzeit den Vorfall, eine formelle Entschuldigung sprach erst zwei Jahre nach dem Militärputsch Übergangspremier Surayud Chulanont aus. Kein anderes Ereignis hat das Verhältnis der lokalen Bevölkerung zum Staat so nachhaltig gestört wie dieses.

Gut sieben Millionen Baht sollen auch die Familien von 37 Personen erhalten, die nach ihrer Festnahme durch die Polizei »verschwanden« und als vermißt gelten. Angkhana Neelapaijit, Ehefrau des zu diesen gehörenden Rechtsanwalts Somchai Neelapaijit und Vorsitzende der Justice for Peace Foundation, würdigt die Entschädigungen als einen wichtigen Schritt, die finanziellen Folgen des Verlusts eines Angehörigen, oftmals des Haupternährers der Familie, abzufangen. Um im Süden Frieden zu schaffen, seien aber weitere Anstrengungen nötig. Auch Somboon Ahmad Bualuang, Mitglied der inzwischen aufgelösten Nationalen Versöhnungskommission, erklärte, daß ein paar Millionen Baht nicht ausreichen werden, um Gerechtigkeit in der Unruheregion wiederherzustellen. Bei vielen Opfern kleinerer Vorfälle sei zudem unklar, ob die Familien eine Zahlung erhalten. Wer fälschlicherweise inhaftiert, verletzt wurde oder seit einem Vorfall behindert ist, soll immerhin zwischen 100000 und 350000 Baht erhalten.

* Aus: junge Welt, 16. Februar 2012


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