Migranten trifft es zuerst
Thailand: Kautschukplantagen geschlossen, Textilfabriken dicht. Arbeiter aus dem Nachbarland Myanmar gehören zu den ersten Krisenopfern
Von Thomas Berger *
Die Arbeitsmigranten aus Myanmar (Birma) sind die ersten, die unter den Problemen der thailändischen Wirtschaft infolge der globalen Krise und innenpolitischer Konflikte zu leiden haben. Wie viele Menschen aus dem westlichen Nachbarstaat in Thailand ihren Lebensunterhalt verdienen, vermag niemand zu sagen, denn registriert sind die wenigsten von ihnen. Nach Schätzungen allerdings beläuft sich die Zahl der in Thailand legal oder illegal als Arbeitskräfte lebenden Migranten aus Myanmar auf etwa zwei Millionen.
Viele dieser Menschen haben ihre Jobs verloren, sind auf Kurzarbeit mit Verdienstkürzung gesetzt worden und einige auch schon in die Heimat zurückgekehrt. Die meisten allerdings harren selbst dann noch aus, wenn kein neues Stellenangebot in Aussicht ist. In grenznahen Ortschaften entstehen Zeltstädte, und die Lage droht sich weiter zu verschlimmern -- nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern auch für ihre Familien. Die Summe der Überweisungen ist im Oktober bereits dramatisch gesunken. Einige der Mittelsmänner, über die diese Transfers laufen, gaben Einbrüche um bis zu 80 Prozent an, schreibt das Onlineportal The Irrawaddy.
Es sind unter anderem die Beschäftigten auf den Kautschukplantagen, die von Entlassungen bzw. Lohnkürzungen betroffen sind. Weil sie derzeit selbst mehr als sonst ums tägliche Überleben kämpfen müssen, bleibt kein Geld mehr übrig, um es an Frauen und Kinder, betagte Eltern oder andere Verwandte daheim zu schicken. »Ich glaube nicht, daß ich unter diesen Umständen noch länger in Thailand bleiben kann«, zitiert The Irrawaddy einen Gummiplantagenarbeiter aus der südlichen Provinz Surat Thani.
Im Gebiet des Drei-Pagoden-Passes wiederum sind es 13000 Frauen und Männer aus dem Nachbarland, die in der thailändischen Textilindustrie tätig sind. Ihr Lohn hat sich halbiert, bestenfalls noch 20 Tage im Monat können sie arbeiten. Die 100 Baht (umgerechnet gut zwei Euro) Tagesverdienst reichen nicht, um über die Runden zu kommen. In Mae Sot, einer Kleinstadt im Norden unmittelbar an der Grenze zu Myanmar, sind 3000 Migranten bereits von den örtlichen Fabriken entlassen worden. Die Hälfte von ihnen campiert nun in Zelten an der Brücke, die beide Länder miteinander verbindet.
Auch im Süden Thailands wissen viele Migranten nicht weiter, die dort normalerweise in der Fischerei arbeiten. Die Nachfrage nach ihren Diensten ist dramatisch zurückgegangen. Auch wenn auf vielen Schiffen schlimme Ausbeutungsverhältnisse herrschen wären die meisten inzwischen mit jedem wie auch immer gearteten Jobangebot zufrieden. Da die Chance darauf stetig sinkt, denken auch hier viele über eine Rückkehr ins bitterarme Heimatland nach.
Thailands Wirtschaft, die vergangenen Jahre über solides Wachstum um die sechs Prozent vorweisen konnte, hat zunehmende Probleme. Das Wachstum hat sich bereits verringert und dürfte 2009 weiter deutlich zurückgehen. Das sind jedoch nicht nur unmittelbar Auswirkungen der globalen Finanzkrise und der befürchteten weltweiten Rezession. Auch die innenpolitische Lage trägt ihren Teil dazu bei. Die tagelange Besetzung der beiden Hauptstadt-Flughäfen hatte die Tourismusbranche ins Mark getroffen. Viele Urlauber weltweit, so befürchtet man, würden in Zukunft ihre Reisen anderswohin buchen -- falls die konjunkturelle Entwicklung das überhaupt zuläßt. Nach jüngsten Angaben gehen Experten in Bangkok davon aus, daß die Einnahmen in der Branche um 86 bis 130 Milliarden Baht (bis zu 2,8 Milliarden Euro) zurückgehen könnten.
* Aus: junge Welt, 16. Dezember 2008
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