Thailand bleibt vorerst unter Kriegsrecht
Neue Regierung strebt Rückkehr zur Normalität so bald wie möglich an
Von Thomas Berger *
Die neue Militärregierung in Thailand hat ihre erste Entscheidung getroffen: Sie will das Kriegsrecht
so bald wie möglich wieder aussetzen.
Der genaue Termin steht in den Sternen. Die Regierung sorge sich zwar sehr »um die Rechte und
Freiheiten der Bevölkerung«. Aber es werde noch einige Zeit dauern, bis die Lage sich beruhigt
habe, teilte der neue Regierungschef Surayud Chulanont nach seiner ersten Kabinettssitzung am
Dienstag mit. »Trotzdem wollen wir darüber nachdenken, das Kriegsrecht so bald wie möglich
aufzuheben«, kündigte der Ministerpräsident an.
Das Militär des südostasiatischen Königreiches hatte die bisherige Regierung von Thaksin
Shinawatra am 19. September aus dem Amt geputscht und zwei Wochen später den früheren
Armeechef Surayud als neuen Regierungschef eingesetzt. Der General im Ruhestand soll das
südostasiatische Land bis zu den Wahlen in einem Jahr führen.
Für die am Montag vom König bestätigte Kabinettsliste von Chulanont fand selbst die bisherige
parlamentarische Opposition lobende Worte. Und in der Hauptstadt herrscht allgemeine
Erleichterung, dass Thailand nun wieder eine arbeitsfähige Regierung hat. Sie setzt sich
überwiegend aus Zivilisten zusammen – lediglich zwei der 26 Minister sind wie ihr Chef selbst
ehemalige ranghohe Militärs. Da dem Verteidigungsministerium eine Schlüsselrolle zukommt, nicht
zuletzt mit Blick auf interne Zwistigkeiten in den Streitkräften und die Situation im äußersten Süden
des Landes, hat der Premier dort einen engen Vertrauten hingesetzt. General a.D. Bunrod Somtat
war sein Klassenkamerad an der Militärakademie.
Die Gefahr einer Gegenrevolte gegen die Putschisten ist gering. Zum einen halten diese im weiter
bestehenden »Rat für Demokratische Reformen« nach wie vor die eigentliche Macht in den Händen.
Zum anderen sind bei der jüngsten regulären Umbesetzung an der Spitze von Heer, Marine und
Luftwaffe einige Thaksin-getreue Offiziere kaltgestellt worden – eine Vorsichtsmaßnahme, um kein
Risiko einzugehen.
Verteidigungsminister, Übergangspremier und Putschführer Sonthi Boonyaratglin haben nun auch
vor, erstmals mit den separatistischen Rebellen in Friedensverhandlungen einzutreten. Thaksin
hatte in seiner Amtszeit solche Vorstöße seines Armeechefs – Sonthi ist der erste Muslim in dieser
Position – stets kategorisch abgelehnt. Nun sollen auch die Aufständischen grundsätzlich zu
Gesprächen bereit sein. Die Zeit drängt, denn allein am Wochenende gab es bei mehreren
Anschlägen wieder vier Tote. Insgesamt beläuft sich die Opferzahl seit Beginn der Gewaltwelle im
Januar 2004 schon auf mehr als 1500. In Pattani, Yala und Narathiwat, den drei Südprovinzen an
der Grenze zu Malaysia, stellen Muslime die Mehrheit, während im Rest des Landes der
Buddhismus vorherrscht. Mehrere Gruppierungen kämpfen seit Jahren für Autonomie oder gar die
Abtrennung des Gebietes als eigenes Sultanat, anknüpfend an historische Vorbilder. Seit fast drei
Jahren Gewalt trotz enormer Militärpräsenz besteht nun zumindest eine Chance, den Konflikt
friedlich beizulegen.
Gleich mehrere Schwergewichte in der neuen Regierung sollen das Vertrauen ausländischer
Investoren in Thailand wieder herstellen. Zentralbankchef Pridiyathorn Devakula, kurzzeitig selbst
als Premier im Gespräch, bekommt wie vorausgesagt das Finanzressort und ist außerdem einer der
beiden Stellvertreter von Surayud. Zweiter Vizepremier und Industrieminister wird Kosit Panpiemras,
der bisher Geschäftsführer der Bangkok Bank war. Gleich zwei Finanzfachleute an den Flanken des
Regierungschefs – das soll die Börsianer beruhigen, das Wirtschaftswachstum sichern und
Investoren ihre Sorgen rauben. Dennoch tut sich Thailand nach dem Putsch nach wie vor mit den
USA schwer, die ihre Militärhilfe eingefroren und für den Fall, dass der Ausnahmezustand nicht
schnellstmöglich aufgehoben wird, weitere Sanktionen angedroht haben. Ob die Absichtsbekundung
der Regierung den eigentlich befreundeten USA ausreicht, bleibt abzuwarten.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Oktober 2006
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