In Thailand werden alte Konflikte geschürt
Der Streit zwischen "Roten" und "Gelben" kocht wieder hoch
Von Thomas Berger *
In Thailand spitzt sich der Konflikt
zwischen den politischen Lagern von
»Roten« und »Gelben« wieder zu.
Hintergrund sind Bemühungen der
Regierungspartei Puea Thai (Für Thai)
um ein Amnestiegesetz und geplante
Verfassungsänderungen.
Die Volksallianz für Demokratie
(PAD), wie die »Gelben« sich offiziell
nennen, bringt sich für neue
Auseinandersetzungen in Stellung.
Hatten die seit mehr als einem
halben Jahrzehnt anhaltenden
Grabenkämpfe in der Politik des
südostasiatischen Staates in den
vergangenen Monaten auf Sparflamme
gekocht, wird derzeit auf
beiden Seiten wieder das Feuer
geschürt. Gegen die Vorhaben der
Regierung laufen nicht nur Vertreter
der parlamentarischen Opposition
in Gestalt der Demokratischen
Partei (DP) Sturm. Noch
stärker ist der Widerstand insbesondere
gegen ein Amnestiegesetz
bei den PAD-Aktivisten. Die könnten
sich durchaus bald wieder zu
Massenprotesten auf den Straßen
der Hauptstadt Bangkok versammeln.
Dass auch manche aus ihren
eigenen Reihen von einem solchen
Gesetz profitieren könnten, wenn
es sich auf alle Auseinandersetzungen
seit dem Jahr 2006 erstrecken
würde, tut nichts zur Sache.
Denn im Mittelpunkt steht wieder
einmal ein einziger Name, der
nach wie vor die Nation entzweit –
Thaksin Shinawatra. Der im
selbstgewählten Exil an wechselnden
Orten lebende ehemalige Ministerpräsident
hat kürzlich seine
Rückkehr binnen der nächsten
Monate angekündigt – »angedroht
«, wie es seine Gegner formulieren.
Doch ein solcher Schritt
wäre nur bei einer Amnestie möglich,
andernfalls droht ihm unmittelbar
nach der Landung auf heimatlichem
Boden die Festnahme.
Thaksin ist wegen korrupter
Praktiken bei einem umstrittenen
Landkauf seiner Frau rechtskräftig
zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der
Verhaftung hatte er sich jedoch
entzogen. Weitere Vorwürfe
könnten ihm neue Prozesse einbringen.
So unterstellt die Opposition,
der Entwurf des Amnestiegesetztes
sei eine »Lex Thaksin«.
Zumal die jüngste Schwester des
Expremiers, Yingluck Shinawatra,
heute die Regierung anführt.
Schon im Wahlkampf wurde ihr
seinerzeit von Gegnern vorgeworfen,
als Marionette ihres Bruders
zu dienen und dessen Rückkehr bei
gleichzeitiger Straffreiheit zu betreiben.
Dass Thaksin in der regierenden
Puea Thai Party (PT)
und im Kabinett aus dem Hintergrund
bestimmte Fäden zieht, lässt
sich kaum leugnen. Doch gerade
im zentralen Konfliktpunkt mit der
Opposition hatten Regierung und
Premierministerin bisher auf Beschwichtigung
orientiert.
Nun hat sich der Wind gedreht,
der alte Streit bricht wieder auf.
Dabei ist selbst innerhalb der PT
nicht klar, wie weit eine Amnestie
reichen soll, zeitlich wie personell.
Sind alle teils gewaltsam ausgetragenen
Massenproteste seit 2006
eingeschlossen? Soll die Regelung
auch für ehemals hohe Amtsträger
gelten oder sind frühere Regierungsmitglieder
ausgenommen?
Darüber wird hinter den Kulissen
noch gestritten.
Thaksin war im September
2006 durch einen unblutigen Militärputsch
gestürzt worden, bis zu
Neuwahlen amtierte ein Jahr lang
eine von der Armee eingesetzte
Übergangsregierung. Als die
Nachfolgepartei der Thaksin-Partei
Thai Rak Thai (TRT) an die Regierung
zurückkehrte, besetzte die
PAD 2008 zeitweise Regierungsviertel
und beide Flughäfen der
Hauptstadt. 2010 wiederum kam
es zu Toten und Verletzten, als die
»Rothemden« der Vereinten Front
für Demokratie und gegen Diktatur
(UDD) gegen eine vom gelben Lager
unterstützte DP-Regierung rebellierten,
die wiederum das Militär
einsetzte, um die Besetzung des
größten Geschäftsviertels in Bangkok
durch die »Roten« zu beenden.
Nicht nur eine mögliche Amnestie
als Schlussstrich unter dieses
Kapitel ist ein heißes Eisen. Die
»Gelben« sind auch misstrauisch
gegenüber jeglichen Versuchen
der heutigen »roten« Regierung,
die Verfassung zu ändern. Wegen
entsprechender Vorbereitungen
will die PAD-Führung gegen insgesamt
416 Abgeordnete und das
gesamte Kabinett Strafanzeige erstatten.
Das gegenwärtige Grundgesetz
ist ein Produkt des Jahres 2007. Es
wurde nach dem Militärputsch
ausgearbeitet und durch ein Referendum
bestätigt. Der PT sind vor
allem bestimmte Artikel ein Dorn
im Auge. Vor einigen Monaten
hatten sich alle Parteien darauf
verständigt, vorerst zumindest das
Thema Majestätsbeleidigung unberührt
zu lassen. Jede Kritik am
greisen König Bhumipol Adulyadej
wird mit harten Strafen geahndet,
die einschlägigen Paragrafen werden
oft genug politisch missbraucht,
um Gegner mundtot zu
machen.
* Aus: neues deutschland, Montag, 23. April 2012
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