"Jeder andere wäre schon im Krieg"
Thailand und Kambodscha streiten weiter
Von Thomas Berger *
Die südostasiatischen Nachbarn Thailand und Kambodscha sind einer Lösung
ihres Grenzkonflikts noch keinen Schritt näher gekommen. In den letzten
Tagen hat sich der »Tempelstreit« sogar ausgeweitet.
Khieu Kanharith, Kambodschas Informationsminister, verkündete zu
Wochenbeginn, nach den Parlamentswahlen Ende Juli müsse zunächst eine
neue Regierung gebildet werden. Erst danach könnten die Verhandlungen
über eine Beilegung des Streits um das Gebiet am Tempel Preah Viihear
wieder aufgenommen werden. Eine friedliche Lösung bleibe das erklärte
Ziel beider Seiten.
Niemand in den politischen Führungskreisen habe Interesse an einer
weiteren Verschärfung der Spannungen, verlautete auch aus der Spitze des
thailändischen Militärs. Oberbefehlshaber General Boonsrang Niumpradit
gab sich auf Reporterfragen zugeknöpft. Keineswegs werde er die Debatte
anheizen, sagte Boonsrang.
Die Auseinandersetzungen um den Grenzverlauf zwischen Kambodscha und
Thailand reichen bis ins Jahr 1962 zurück, doch lange Zeit war es darum
still. Umso größer fiel die Überraschung im Ausland aus, als der
Konflikt Mitte Juli wieder aufflammte. Es war die Zeit, als die UNESCO
weitere Stätten in ihre Welterbeliste aufnahm -- darunter auf Antrag
Kambodschas den aus dem 11. Jahrhundert stammenden Tempel Preah Vihear.
Das Heiligtum liegt auf kambodschanischem Territorium, knapp fünf
Quadratkilometer der Außenanlage sind jedoch umstritten. Politikerkreise
in Thailand hatten dem Welterbe-Antrag der Nachbarn deshalb jegliche
Unterstützung verweigert. Als Bangkoks Außenminister auf der Suche nach
einer diplomatischen Einigung Zugeständnisse machte, musste er sogar
seinen Hut nehmen.
Beide Seiten entsandten Einheiten ihrer Armeen in das Grenzgebiet.
Kambodschas Regierungschef Hun Sen erklärte jetzt in einer
Rundfunkansprache: »Ich möchte den König von Thailand respektvoll darauf
hinweisen, dass jeder andere als Hun Sen als Premierminister bereits
seit dem 15. Juli mit Thailand im Krieg wäre... Aber eben nicht ich.«
In Bangkok gibt sich die außerparlamentarische Opposition noch
unnachgiebiger als die Regierung. 20 000 Teilnehmer einer Demonstration
der Volksallianz für Demokratie (PAD) reklamierten Preah Vihear am
vergangenen Wochenende lautstark für ihr Land und warnten vor einem
»Ausverkauf nationaler Interessen«.
Inzwischen hat sich der Streit auf einen weiteren Tempel namens Ta Moan
Thom ausgedehnt. Dabei hätten die Unterhändler beider Seiten eigentlich
den Grenzverlauf an anderer Stelle klären sollen -- im Golf von Thailand.
An der Seegrenze werden nämlich ergiebige Lagerstätten von Erdöl und
Erdgas verortet, die angesichts der Rekordpreise für Rohöl jeder gern
für sich ausbeuten würde.
Entgegen der Ankündigung Khieu Kanhariths hieß es zuletzt, die
Außenminister würden sich bereits am 18. August wieder treffen. Die
Aussichten auf eine bilaterale Einigung sind gleichwohl gedämpft. Offen
wird in Phnom Penh und Bangkok schon davon gesprochen, den Streitfall
dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen. Ein UN-Vermittler hätte allerdings in
gleicher Weise mit dem wachsenden Nationalismus zu kämpfen, der
jeglichen Kompromiss erschwert, weil Zugeständnisse umgehend als
»Verrat« gebrandmarkt würden. Die ohnehin angeschlagene Regierung von
Thailands Premier Samak Sundaravej will ihren Gegnern möglichst keinen
weiteren Zündstoff liefern. Anders als Hun Sen kann sich Samak durch den
Streit nicht profilieren, jeder Fehlgriff brächte ihn unter noch
größeren Druck. Eine gerade erfolgte Regierungsumbildung hat ihm wegen
einiger umstrittener Personalien keine Atempause verschaffen können.
* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2008
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