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Fragezeichen um Todesschuß

Tötung eines japanischen Kameramannes bei den Unruhen in Thailand vor einem Jahr ist weiter ungeklärt

Von Thomas Berger *

Wer erschoß Hiroyuki Muramoto? Diese Frage wird in Thailand immer mehr zum Politikum. Angeblich liegen neue Erkenntnisse in dem Fall des bei den Unruhen vor knapp einem Jahr ums Leben gekommenen japanischen Kameramannes vor. Diese selbst und vor allem daraus resultierende Rückschlüsse werden allerdings angezweifelt. Jatuporn Prompan, Abgeordneter der oppositionellen Partei Puea Thai und zugleich einer der prominentesten Anführer der sogenannten Rothemden (Union für Demokratie gegen Diktatur/UDD), warf der Sonderermittlungsbehörde DSI Manipulation vor.

Muramoto (43), der für die britische Nachrichtenagentur Reuters arbeitete, hatte wie so viele Berufskollegen im April vorigen Jahres von der Konfrontation zwischen der außerparlamentarischen Oppositionsbewegung und der Regierung unter Premier Abhisit Vejjajiva von der Demokratischen Partei (DP) berichtet. Wochenlang hatten die Proteste der Rothemden beständig an Intensität zugenommen, die schließlich in einer Besetzung des wichtigsten Geschäftsviertels der Hauptstadt Bangkok mündeten. Schon vor dem dramatischen Finale im folgenden Monat mit der gewaltsamen Räumung des Geländes durch die Armee kam es an jenem 10. April bei einer Eskalation zu einem Schuß, der den Journalisten niederstreckte. Muramoto wurde damit neben dem italienischen Fotografen Fabio Polenghi zu einem von zwei Journalisten-Opfern der Unruhen. Ingesamt kamen in den zwei Monaten 91 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

In einer ersten Untersuchung der DSI-Beamten war davon die Rede, daß der Japaner von einer Kugel eines Soldaten getroffen wurde. Jüngste Äußerungen aus höchsten Ermittlerkreisen stellen die Sachlage anders dar. Das bei der Obduktion sichergestellte Projektil verweise auf eine AK-47, und solche Waffen gehörten nicht nur Ausstattung der Armee. Folglich müsse der Schuß von den Rothemden, die zum großen Teil Anhänger des im Exil lebenden Exregierungschefs Thaksin Shinawatra sind, abgefeuert worden sein. UDD-Vertreter weisen dies vehement zurück.

»Das DSI entstellt Fakten«, echauffierte sich Jatuporn vor der Presse. Der Oppositionsabgeordnete verweist darauf, daß Einheiten des Militärs inoffiziell sehr wohl über AK-47 verfügen würden und diese auch bei der Operation vor einem Jahr zum Einsatz kamen. In seiner Partei gebe es genug ranghohe Exoffiziere, die von solchen Waffen außerhalb der offiziellen Bücher wüßten, wird Jatuporn in der Tageszeitung The Nation zitiert. Die ebenfalls englischsprachige Bangkok Post meldet, der UDD-Führer erwäge, Klage gegen Tharit Pengdit und Amporn Charuchinda einzureichen. Tharit ist Chef des DSI, während der ehemalige Chefforensiker Amporn, gegenwärtig Berater der Ermittlungsbehörde, mit seinen Statements den neuen Streit ins Rollen gebracht hat.

Dieser zieht immer größere Kreise. Armeechef General Prayudh Chan-ocha fühlte sich bemüßigt zu erklären, »daß alle Seiten bei der Konfrontation bewaffnet waren, nicht nur die Soldaten«. Weitere Untersuchungen seien notwendig. Premier Abhisit und sein für Sicherheitsfragen zuständiger Vize Suthep Thaugsuban bestreiten derweil vehement, daß sich die Regierung in die Ermittlungen im Fall Muramoto eingemischt habe.

* Aus: junge Welt, 4. März 2011


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