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Die begehrte Insel

Sansibar und die Deutschen

Von Ulrich van der Heyden *

Der ehemalige bundesdeutsche Diplomat Heinz Schneppen, der unter anderem auch in Ostafrika Dienst tat, hat sich schon des Öfteren und bereits während seiner aktiven Zeit als Botschafter in Tansania mit historischen Publikationen zu Wort gemeldet. Nunmehr hat er eine, vermutlich die umfangreichste Geschichte der ostafrikanischen Insel Sansibar (Foto: dpa) vorgelegt. Dabei erhebt er nicht den Anspruch, sie allumfassend zu behandeln; im Mittelpunkt seines Interesses stehen die Beziehungen der politischen Herrscher der Insel zu Deutschland oder exakter: zu den Deutschen. Und dies auch nur für einen Zeitraum von gut 120 Jahren, von Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, als es besonders intensive, dauerhafte und nachhaltige Kontakte wie auch hochdramatische Ereignisse gab. Des Autors Fazit: »Die Begegnung mit den Deutschen wurde für Sansibar der Anfang vom Ende.«

Die islamisch geprägte Insel war nicht nur ein Objekt der Begierde deutscher Händler und Forschungsreisender, sondern auch Zankapfel in der kolonialen Aufteilung Afrikas. Der Sultan von Sansibar und der deutsche Kanzler Bismarck agierten auf historischer Bühne als unversöhnliche Gegenspieler. Ernstzunehmender Rivalen für die Deutschen wurden die Engländer. Schneppen räumt mit den oftmals verklärten Vorstellungen über das deutsch-britische Tauschgeschäft, Sansibar gegen Helgoland, auf. Der entsprechende Vertrag, als Interessenausgleich mit England gedacht, bewirkte das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war.

Nach 1945 sollte die Insel wieder zu einem politisches Streitobjekt avancieren -- diesmal zwischen den Deutschen in Ost und West. Die DDR erkannte als erstes Land die staatliche Unabhängigkeit Sansibars diplomatisch an; die Bundesrepublik hat dies gemäß seiner Hallstein-Doktrin zu verhindern versucht. Die deutsch-deutsche Konkurrenz verschärfte sich, als sich die Insel mit dem Festland, Tanganjika, zur Vereinigten Republik Tansania vereinigte.

Was da zu Zeiten des Kalten Krieges ablief, erscheint im Rückblick wie ein Possenspiel. Damals indes war es harter politischer Machtpoker. Umso beachtenswerter, wenn Schneppen versucht, das Geschehen mit Hilfe der offenliegenden Akten von beiden Deutschländern »in der Perspektive zweier konkurrierender Staaten (nach) zu erleben«. Das ist eine Sichtweise, die auch nach fast zwei Jahrzehnten deutscher Einheit noch nicht selbstverständlich ist.

Fakt ist, dass auf Sansibar noch heute das Bild Deutschlands über die DDR definiert wird, nicht zuletzt wegen ihres großen entwicklungspolitischen Engagements dereinst. Schneppen hat auch britische und tansanische Quellen akribisch und sachkundig ausgewertet. Mit seinem Buch hat er sich einen Platz in der Forschungsliteratur über Kolonialismus und Neokolonialismus gesichert.

Heinz Schneppen: Sansibar und die Deutschen. Ein besonderes Verhältnis. 1844-1966, LIT Verlag, Münster 2006; 563 S., geb., 27 EUR; ISBN 3825861724

* Aus: Neues Deutschland, 14. Februar 2008


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