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Der Alte bleibt

Tadschikistans Dauerpräsident wiedergewählt. Balanceakt zwischen Interessen Rußlands, Irans und der USA

Von Knut Mellenthin *

Niemand hatte etwas anderes erwartet: Imomali Rachmon bleibt Präsident der zentral-asiatischen Republik Tadschikistan. Die Wahl am Mittwoch gewann er problemlos mit über 83 Prozent der Stimmen bei einer behaupteten Beteiligung von 87 Prozent. Es war bereits der vierte Wahlsieg des mittlerweile 61jährigen, aber der erste unter dem neuen Nachnamen. Den führt er seit 2007, um seine tadschikische Identität zu betonen. Bis dahin hieß er gut russisch Rachmonow. Tadschikistan regiert der Dauerpräsident nun schon seit 21 Jahren. Seine erste Amtszeit begann er im November 1992 als Vorsitzender des Obersten Sowjets, den es damals noch als Auslaufmodell gab. Nachdem 2003 die Amtsperiode des Staatsoberhaupts auf sieben Jahre verlängert wurde, könnte Rachmon es auf eine Regierungszeit von 28 Jahren bringen. Voraussetzung ist allerdings, daß seine Gesundheit, die bereits stark angeschlagen sein soll, so lange mitspielt. Eine fünfte Amtszeit ist ihm nach der tadschikischen Verfassung nicht erlaubt – es sei denn, diese würde erneut geändert.

Fünf Kandidaten bewarben sich neben Rachmon um das Präsidentenamt. Vier von ihnen repräsentierten regierungstreue Blockparteien. Der fünfte, Ismoil Talbakow, trat für die Kommunistische Partei an, die gelegentlich maßvolle loyale Opposition suggeriert. Keiner von Rachmons Konkurrenten übte Kritik am Amtsinhaber. Wie sich die verbliebenen Stimmanteile auf diese fünf Kandidaten verteilen, war zunächst nicht bekannt. Die einzige Oppositionsvertreterin, die zur Wahl antreten wollte, hatte schon am 11. Oktober das Handtuch werfen müssen. Die Menschenrechtlerin Oinihol Bobonazarowa war ganz knapp an der recht hohen Hürde gescheitert, 210000 Unterschriften zur Unterstützung ihrer Kandidatur beizubringen. Das entspricht immerhin fünf Prozent aller Wahlberechtigten. Der 65jährigen fehlten 8000 Unterstützer. Nominiert worden war Bobonazarowa von der neu gegründeten Union der Reformkräfte, einem Wahlbündnis zwischen der moderaten Partei der Islamischen Wiedergeburt und der Sozialdemokratischen Partei.

Neben anderen Wahlbehinderungen, vor allem dem totalen Boykott durch die ausschließlich staatlichen Medien, beklagte die gescheiterte Bewerberin besonders, daß die etwa 1,2 Millionen Tadschiken, die im Ausland leben und arbeiten, dort zwar wählen dürfen, aber ihre Unterschriften nicht zur Unterstützung von Kandidaten zugelassen sind. Tadschikistan, mit 143000 Quadratkilometern doppelt so groß wie Bayern, hat rund acht Millionen Einwohner und ist die ärmste der fünf zentralasiatischen Nachfolgerepubliken der Sowjetunion. Mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung lebt notgedrungen im Ausland, hauptsächlich in Rußland. Die zusammengesparten Gelder, die die Arbeitsmigranten nach Hause schicken, tragen über 40 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Schon aus diesem Grund ist Tadschikistan hochgradig von Rußland abhängig, das dort einen seiner wenigen übriggebliebenen Auslandsstützpunkte unterhält. Vor wenigen Wochen wurde der Pachtvertrag bis zum Jahr 2042 verlängert. Angeblich wird Tadschikistan dafür durch günstige Erdgaslieferungen entschädigt – und durch Moskaus Zusage, auf die Einführung eines Visumszwangs zu verzichten.

Auf der anderen Seite werben die USA seit der Entfesslung ihres weltweiten »Kriegs gegen den Terror« erfolgreich um das strategisch extrem wichtige Tadschikistan, dessen Bedeutung so sehr steigt, wie der NATO-Krieg im südlichen Nachbarland Afghanistan eingeschränkt wird. Washington hat dabei auch das Ziel im Blick, den wirtschaftlichen und finanziellen Einfluß von Konkurrenten wie China, Indien und nicht zuletzt Iran, der mit Tadschikistan geschichtlich, kulturell, ethnisch und sprachlich verbunden ist, zurückzudrängen. Die USA sind nach eigenen Angaben der größte Geldgeber Tadschikistans. Fast eine Milliarde Dollar sei demnach von 1992 bis 2010 geflossen – hauptsächlich für »Lebensmittel und andere humanitäre Zwecke«. Tatsächlich stellen aber schon seit 2005 »Frieden und Sicherheit« den größten Einzelposten der ausgewiesenen Unterstützung dar.

* Aus: junge welt, Freitag, 8. November 2013


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