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Nichts als Floskeln

Nach Besuch des türkischen Außenministers in Syrien halten sich beide Seiten über den Inhalt der Gespräche bedeckt

Von Karin Leukefeld *

Nachdem der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu und Syriens Präsident Baschar Al-Assad am Dienstag (9. Aug.) in Damaskus zu einem siebenstündigen Treffen zusammengekommen waren, ist von beiden Seiten außer diplomatischen Floskeln nur wenig zu hören. Nach seiner Rückkehr äußerte sich Davutoglu am Mittwoch (10. Aug.) vor Journalisten in Ankara in deutlich gemäßigterem Ton als vor seiner Reise. Die Gespräche hätten lange gedauert, seien aber in freundschaftlicher Atmosphäre verlaufen, so Davutoglu. Er habe die syrische Regierung aufgefordert, den Militäreinsatz gegen Regierungsgegner zu stoppen und den Reformprozeß aufzunehmen. Gemeinsam habe man über »konkrete Schritte« gesprochen, wie Syrien seine Militäroperation beenden könne, »jede Konfrontation zwischen Armee und Volk« müsse vermieden werden. Die Zukunft beider Staaten sei eng miteinander verknüpft, betonte der Minister. Darum werde man die Kontakte zu Syrien fortsetzen und hoffe, daß sich die Lage beruhige. Die Syrer müßten selber über ihre Zukunft und ihr Schicksal entscheiden. »Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, in welche Richtung die Entwicklung läuft«, sagte Davutoglu, der sich offensichtlich bemühte, jeden Eindruck einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens zu vermeiden. Syriens Staatsministerin Buthaina Schaaban hatte zuvor scharf auf eine Äußerung des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan reagiert, der die Lage in Syrien als »interne Angelegenheit der Türkei« bezeichnet hatte. Davutoglu relativierte nun, die Türkei betrachte »das, was in Syrien geschieht, als türkische Angelegenheit, und Syrien betrachtet seinerseits das, was in der Türkei geschieht, als syrische Angelegenheit.«

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA faßte die Ergebnisse des Treffens nur knapp zusammen: Syrien werde keine Toleranz bei der Verfolgung bewaffneter terroristischer Gruppen zeigen, die in den vergangenen Wochen sowohl Zivilisten als auch Angehörige der Streitkräfte und der Polizei terrorisiert und ermordet sowie öffentliche Einrichtungen verwüstet hätten, zitiert die Agentur den Staatschef. Gleichzeitig sei man entschlossen, den begonnenen Reformprozeß fortzusetzen. Man sei offen für jede Hilfe, die Syrien von befreundeten Staaten angeboten werde.

Bei den Gesprächen dürfte es auch um die türkische Unterstützung für die in Syrien verbotene Muslimbruderschaft gegangen sein. Die islamische Organisation sei für Syrien das, was die kurdische Arbeiterpartei PKK für die Türkei sei, hieß es bereits Anfang Mai in Damaskus, als Ankara von der syrischen Regierung die Zulassung der Bruderschaft als Partei gefordert hatte. Mittlerweile geht Damaskus davon aus, daß Einheiten der Muslimbruderschaft auch bewaffnet vorgehen, um Syrien zu destabilisieren.

Nachdem die PKK in den vergangenen Wochen die Zahl ihrer Angriffe auf das türkische Militär erhöht hatte, wirft Ankara nunmehr Damaskus vor, die Organisation wieder zu unterstützen, obwohl die PKK-Kämpfer ihre Ausbildungslager schon lange in den Kandilbergen im irakisch-iranischen Grenzgebiet haben. Im Oktober 1998 hatte Damaskus auf Druck der Türkei, der EU und Washingtons den PKK-Führer Abdullah Öcalan ausgewiesen. Nach einer monatelangen Odyssee war Öcalan daraufhin im Februar 1999 in einer koordinierten Operation von türkischem und US-amerikanischem Geheimdienst in Kenia entführt worden. Er verbüßt heute eine lebenslange Haftstrafe auf der Gefängnisinsel Imrali.

* Aus: junge Welt, 11. August 2011


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