Diktate nicht akzeptabel
Syrien ist auf dem Weg zu Frieden und Stabilität an Dialog interessiert
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Mitarbeiter des US-amerikanischen Instituts für Wissenschaft und
Internationale Sicherheit (Washington) haben angeblich Hinweise
gefunden, daß Syrien mit nordkoreanischer Hilfe einen Atomreaktor baut.
Die Anlage sei Ziel des israelischen Luftangriffs vom 6. September
gewesen, was von Israel nicht bestätigt wurde. Grundlage der »Analyse«
seien Satellitenfotos von Global Satellite, einer kommerziellen
Satellitenfirma. Die Berichte über ein syrisches Atom(waffen)programm
seien »reine Erfindung«, kommentierte Ministerpräsident Mohammed Naji
Otri auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche in Damaskus.
Israel scheint seit dem Luftangriff Anfang September auffallend bemüht,
weitere Spannungen mit Syrien zu vermeiden. So wurde dieser Tage ein
Manöver der israelischen Streitkräfte (IDF), das auf den besetzten
Golanhöhen stattfinden sollte, kurzfristig nach Nordisrael verlegt. Wie
nervös die IDF derzeit sind, zeigte sich kürzlich, als israelische
Kampfjets über den Golanhöhen aufstiegen, weil Radaranlagen verdächtige
Luftbewegungen auf der syrischen Seite gemeldet hatten. Tags darauf
stellte sich heraus, daß ein Schwarm Wandervögel den Alarm ausgelöst
hatte. In Sachen Golanhöhen beschwerte sich Syrien am vergangenen
Freitag offiziell bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon darüber, daß Israel
in einem Dorf Bäume gefällt und damit gegen internationales Recht
verstoßen habe. Das Fällen der Bäume solle die syrischen Bewohner der
Golanhöhen unter Druck setzen und vertreiben, heißt es in dem Schreiben
der syrischen Regierung. Die UN müsse Druck auf Israel ausüben, damit
dieses »unrechtmäßige und unmenschliche Handeln aufhört«.
Otri zeigte sich gegenüber den internationalen Medien selbstbewußt. Der
syrisch-arabische Weg sei »vielleicht nicht für den Westen, die USA oder
die EU, wohl aber für sein Land richtig«, erklärte er auf Fragen, wie es
mit der Demokratie in Syrien bestellt sei. Was unter dem Stichwort
»Demokratie und Menschenrechte« von westlichen Staaten und zivilen
Organisationen im Mittleren Osten etabliert werden solle, eigne sich
besser, Staaten zu destabilisieren, als den Menschen mehr Freiheit und
Sicherheit zu garantieren. Bester Beweis sei die Lage im Irak, so Otri.
Sicherheit und Stabilität seien die beste Basis, um ein Land
demokratisch zu entwickeln. Daran arbeite Syrien. Hunderte
Gesetzesänderungen hätten bereits viele ausländische Investoren bewogen,
Niederlassungen in Syrien zu eröffnen. Seit einiger Zeit werde in der
Regierung ein neues Parteiengesetz diskutiert, was von oppositionellen
syrischen Parteien seit vielen Jahren gefordert wird. Syrien verfolge
»keine Politik der Gewalt«, sondern eine »Politik der Logik«, so Otri
weiter, dafür suche man den Dialog. Der allerdings werde von westlichen
Politikern verweigert, die von Syrien Veränderungen »fordern« würden,
anstatt das Land auf dem Reformweg zu »beraten«. Es fehle der Respekt,
so Otri, Diktate werde Syrien nicht akzeptieren.
An der für November geplanten US-Konferenz für »Frieden im Mittleren
Osten« werde Syrien voraussichtlich nicht teilnehmen, erklärte der
Ministerpräsident auf eine entsprechende Frage. Wenn die USA, die sich
bisher ausschließlich für die Interessen Israels einsetzten, als
ehrlicher Vermittler aufträten, sei eine Teilnahme möglich. Doch man sei
nicht bereit, an einer Veranstaltung teilzunehmen, auf der Syrien als
»der beste Feind Israels« vorgeführt werden solle. Israel sei nicht
bereit zum Frieden, weder mit den Palästinensern, noch mit Syrien oder
den arabischen Nachbarn. Die Rückgabe der Golanhöhen bezeichnete Otri
als strategisches Ziel, von dem Damaskus nicht abweichen werde. Auch das
Rückkehrrecht der Palästinenser und die Rückgabe des von Israel
besetzten arabischen Landes sei nicht verhandelbar. Keiner dieser Punkte
stehe auf der Agenda, so Naji Otri: »Warum sollen wir an einer
Veranstaltung teilnehmen, bei der nichts herauskommen wird?«
* Aus: junge Welt, 30. Oktober 2007
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