Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Déjà-vu in Damaskus

Arabische Liga setzt Syriens Mitgliedschaft aus – wie zuvor bei Libyen

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

»Der erste Schritt ist getan, um das Libyenszenario zu wiederholen« – so lautete die Schlagzeile im arabischen Onlineportal Middle East Online, nachdem die Arabische Liga am Sonnabend die Mitgliedschaft Syriens in dem Gremium ausgesetzt hatte.

Die syrische Delegation soll bei der Arabischen Liga in Kairo von allen Gesprächen, Diskussionen und Aktivitäten ausgeschlossen werden. Arabische Staaten sollen wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen Syrien verhängen und darüber nachdenken, ihre Botschafter aus Damaskus abzuziehen. Zum Schutz der Zivilbevölkerung sollen arabische und UN-Organisationen nach Syrien reisen, »um das Blutvergießen zu stoppen «; die syrische Armee wurde aufgefordert, »nicht weiter auf Zivilisten zu schießen«. Die Strafmaßnahmen gegen Syrien wurden in Kairo verkündet, der syrischen Regierung wurde ein Ultimatum bis zum 16. November eingeräumt. Sollte sie diese Frist nicht nutzen, würden die Maßnahmen in Kraft treten und weitere überlegt, hieß es. Innerhalb von drei Tagen will sich die Liga mit syrischen Oppositionsgruppen treffen, um sich mit diesen auf »eine gemeinsame Vorstellung über eine zukünftige Übergangsphase in Syrien zu einigen«.

Die Entscheidung wurde von 18 Außenministern der Liga gegen die Stimmen von Syrien, Libanon und Jemen getroffen. Irak enthielt sich.

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte die Entscheidung, die »nicht ohne Konsequenzen für die Region« bleiben werde.

Syrien wies die Entscheidung der Liga mit scharfen Worten ihres Vertreters als »illegal« zurück und forderte eine Sondersitzung der Organisation. Am Freitag hatte Syrien offiziell eine Delegation der Liga eingeladen, um die Entwicklungen vor Ort zu verfolgen. Am Samstagabend zogen Hunderte empörte Syrer durch Damaskus und protestierten vor den Botschaften Katars und Saudi Arabiens gegen die Entscheidung der Liga. Bei beiden Botschaften kam es zu Sachschaden. Insbesondere Katar wird vorgeworfen, sich zum Sprachrohr von US-Interessen zu machen. In Katar ist die größte Basis der US-Armee in der Region stationiert, von hier wurde der Krieg gegen Irak 2003 koordiniert. Auch bei der Eskalation gegen Libyen, die mit der Aussetzung der Mitgliedschaft Libyens in der Arabischen Liga begann, spielte Katar eine wesentliche Rolle.

Am Sonntag (13. Nov.) versammelten sich landesweit Hunderttausende zornige Syrer, um gegen das Verdikt der Liga zu protestieren. Schulen, Universitäten und Ministerien blieben geschlossen, damit die Menschen sich an den von der Baath-Partei organisierten Protesten beteiligen konnten. »Herzlich willkommen in unserem Land«, begrüßte der Demonstrant Abdullah Hatef die ND-Korrespondentin auf dem Platz vor der syrischen Nationalbank in Damaskus. Er sei froh, dass ausländische Journalisten aus Syrien berichteten, er hoffe, seine Stimme würde von Menschen in Deutschland gehört. »Ich unterstütze meinen Präsidenten und die von ihm vorgeschlagenen Reformen«, so der 51-jährige Ingenieur, dessen Heimatdorf auf den von Israel besetzten Golanhöhen liegt. »Niemand hat das Recht für mich zu sprechen. Nicht Europa, nicht die USA, nicht die Arabische Liga.«

Weder in der Erklärung der Liga noch in den Stellungnahmen der EU oder der USA wird auf die Situation in der Stadt Homs eingegangen, wo bewaffnete Gruppen sich seit Wochen einen mörderischen Kampf mit der syrischen Armee liefern.

* Aus: neues deutschland, 14. November 2011


Zurück zur Syrien-Seite

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage