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Kritik an Katar

Syrien weist Einladung Arabischer Liga zu nationalem Dialog in Kairo zurück. Komitee für neue Verfassung

Von Karin Leukefeld, Amman *

Auf Antrag des Golfkooperationsrates (Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait, Oman, Vereinige Arabische Emirate, Katar) haben die Außenminister der Arabischen Liga am Sonntag (16. Okt.) bei einer Sondersitzung über die Lage in Syrien beraten. In Zentrum des Treffens standen Anträge auf die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens bei der Arabischen Liga, die Anerkennung des kürzlich in Istanbul gegründeten Syrischen Nationalrates und die Moderation von Gesprächen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition in Kairo, am Sitz der Arabischen Liga. Die für die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens erforderliche Zweidrittelmehrheit der 22 Mitgliedsstaaten wurde verfehlt. Auch der Antrag auf Anerkennung des Syrischen Nationalrates scheiterte. Man einigte sich darauf, eine Ministerdelegation der Liga nach Syrien zu entsenden, um sich vor Ort über die Lage zu informieren. Außerdem lädt die Liga Regierung und Opposition Syriens innerhalb von 15 Tagen nach Kairo zu Gesprächen ein. Das Treffen soll von einem eigens dafür gegründeten Gremium geleitet werden, dem der katarische Ministerpräsident und Außenminister, Scheich Hamad Bin Jassim Al-Thani vorsitzen soll.

In Damaskus hieß es, ein nationaler Dialog müsse in Syrien und nicht im Ausland geführt werden. Syrien sei ein souveräner und unabhängiger Staat und könne seine inneren Angelegenheiten regeln. Dazu gehöre auch, die Forderungen der Bevölkerung nach Veränderungen mit allen Gruppen im Land umzusetzen, wofür man den nationalen Dialog eingeleitet habe. Die Arabische Liga sei jederzeit zu Gesprächen zwischen Opposition und Regierung nach Syrien eingeladen.

Der syrische Botschafter bei der Arabischen Liga, Yousef Ahmed, kritisierte ausdrücklich die Rolle Katars, das sowohl politisch als auch medial dazu beigetragen habe, die Situation in Syrien falsch darzustellen. Ein Ergebnis dieser gezielten Desinformationspolitik sei der von europäischen Staaten und den USA im UN-Sicherheitsrat eingebrachte Resolutionsentwurf, der den bewaffneten Aufstand in Syrien ignoriere. Allein zwischen dem 13. September und dem 14. Oktober seien 160 Soldaten und Sicherheitskräfte getötet und 850 verletzt worden. Ein Drittel der Verletzten werde ihr Leben lang behindert sein. Die offizielle Zahl der getöteten Sicherheitskräfte wird inzwischen mit 1100 angegeben. Zu den bei den bewaffneten Gruppen beschlagnahmten Waffen gehörten auch Handgranaten und Maschinengewehre, die in Israel hergestellt worden seien, sagte Ahmed. Weder Europa und die USA noch die arabischen Staaten hätten den bewaffneten Aufstand in Syrien oder die gewaltsamen Übergriffe auf syrische Botschaften in Europa und Kairo verurteilt.

Die in London ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien teilte derweil mit, daß am vergangenen Wochenende erneut viele Menschen durch Sicherheitskräfte getötet worden seien. Allein in Homs seien 923 Personen verhaftet worden.

Präsident Assad setzte am Wochenende ein Komitee ein, das innerhalb von vier Monaten den Entwurf für eine neue syrische Verfassung ausarbeiten soll. Die bisherige Verfassung stammt aus dem Jahr 1973. Die Opposition fordert seit langem die Abschaffung von Paragraph 9 der Verfassung, in dem die führende Rolle der Baath-Partei in Politik und Gesellschaft Syriens festgelegt ist.

* Aus: junge Welt, 18. Oktober 2011


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