Islamisten sollen Massaker in Syrien verübt haben
Videos und Augenzeugen berichten von hunderten getöteten Zivilisten an der Grenze zur Türkei
Von Martin Dolzer *
Seit mehr als einer Woche kommt es
im Norden Syriens zu schweren Gefechten
zwischen Al-Qaida-nahen
Gruppen und bewaffneten Kurden. Die
Islamisten sollen dabei auch die Zivilbevölkerung
angegriffen haben.
Die dem Terrornetzwerk Al-Qaida
zugehörigen Gruppen »Al Nusra
Front« und »Islamischer Staat
Irak« sollen zuletzt gleich mehrere
Kriegsverbrechen in Syrien begangen
haben. Wie die Bevölkerung
in der Umgebung von Aleppo
im Nordwesten Syriens berichtet,
seien bisher 70 Zivilisten ermordet
und über 300 Menschen entführt
sowie gefoltert worden, die meisten
von ihnen Frauen und Kinder.
Ähnliches wurde am Mittwoch aus
der Grenzstadt Tal Abyad bekannt.
Russische, arabische und iranische
Medien berichteten, dass am
Montag 450 kurdische Zivilisten
ermordet worden seien. Im Internet
kursieren mehrere Videos, die
Leichen zeigen. Der Inhalt der Videos
ist nicht verifiziert.
Laut Berichten unter anderem
der Nachrichtenagenturen ANF
und ANHA wurde die Entscheidung
zu Angriffen auf die kurdischen
Landesteile Syriens bei einem
Treffen von Kommandeuren
der »Freien Syrischen Armee« und
der islamistischen Gruppen am 26.
Juli in Gaziantep in der Türkei getroffen.
Zur gleichen Zeit hatte der
Vorsitzende der syrisch-kurdischen
Partei der Demokratischen
Einheit (PYD), Salih Muslim, Ankara
besucht und dort für ein
friedliches Miteinander geworben.
Die türkische Regierung gewährt
schon seit gut einem Jahr
immer wieder von Katar und Saudi-
Arabien unterstützten islamistischen
Gruppen Schutz und militärische
Hilfe, über die türkischsyrische
Grenze in die Region einzudringen.
Die von der kurdischen
Bevölkerung in demokratischen
Räten verwalteten Provinzen galten
bisher als relativ sicher. In diesen
Teil des Landes sind während
des Konflikts bereits gut eine Million
Syrer geflohen.Unterdessen
sollen syrische Regierungstruppen
nach Angaben von Exilaktivisten
in der Nähe von Damaskus mindestens
62 Aufständische getötet
haben. Die Rebelleneinheit habe
zur Al-Nusra-Front gehört, berichteten
die syrischen Menschenrechtsbeobachter
am Mittwoch in London. Die staatliche syrische
Nachrichtenagentur Sana bestätigte
den für die Regimetruppen
erfolgreichen Überraschungsangriff,
ohne eine konkrete Opferzahl zu nennen. Durch einen »hochgradig
koordinierten Angriff aus dem Hinterhalt« sei es den Armeeverbänden
gelungen, eine »Terroristenbande« auszuschalten.
Unter den in Syrien kämpfenden
Islamisten sollen immer mehr
Deutsche sein. Dem Bundesamt für
Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt
liegen derzeit Erkenntnisse
zu mehr als 120 Islamisten
vor, die aus Deutschland
Richtung Syrien ausgereist sind.
Ihr Ziel sei es, dort zu kämpfen
oder den Widerstand gegen das
Regime auf andere Weise zu unterstützen.
»Sämtliche Waffenlieferungen nach Syrien müssen sofort eingestellt
werden. Die Bundesregierung und die EU müssen aufhören,
aufgrund neokolonialistischer Interessen
indirekt oder direkt Gruppen zu fördern, die Syrien
destabilisieren und die Menschenrechte
mit Füßen treten«, fordert derweil Annette Groth, menschenrechtspolitische
Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 8. August 2013
Al Qaida Gruppen begehen mit türkischer Unterstützung Kriegverbrechen in den kurdischen Provinzen Syriens
Pressemitteilung, 06.08.2013
Die Freie Syrische Armee (FSA) und islamistische Gruppen aus dem Spektrum der Al Qaida führen zur Zeit in den kurdischen Provinzen Syriens Krieg gegen die kurdische Zivilbevölkerung und demokratische Selbstverwaltungsstrukturen. Dabei begehen sie besonders in der Umgebung von Aleppo Massaker und Kriegsverbrechen. Mehr als 70 ZivilistInnen wurden in den letzten 5 Tagen von Al Qaida nahen Gruppen massakriert, über 300 entführt und gefoltert. Die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Derartige Angriffe und Verbrechen halten auch weiterhin an.
AugenzeugInnen berichten, dass die islamistischen Gruppen über Moscheelautsprecher zum Massenmord aufriefen. Es sei „helal“ (aus islamischer Sicht richtig) kurdische Frauen zu entführen und zu vergewaltigen und die Häuser zu plündern. Die EinwohnerInnen der Orte Til Hasıl und Til Aran befinden sich aufgrund dessen auf der Flucht. In einem Video hatte auch der Kommandant der FSA Abdulcabbar el-Akidi damit gedroht, die kurdische Bevölkerung zu massakrieren.
Laut Berichten mehrerer Nachrichtenagenturen (u.a. ANF und ANHA) wurde die Entscheidung zur Durchführung dieser Angriffe auf einem Treffen von Kommandeuren der FSA und der islamistischen Gruppen am 26. Juli in Gaziantep in der Türkei getroffen.
Der türkischen Regierung ist die Stabilisierung der demokratischen Strukturen in den kurdischen Provinzen schon seit einem Jahr ein Dorn im Auge. Immer wieder gewährte sie von Katar und Saudi Arabien unterstützten islamistischen Gruppen Schutz und infrastrukturelle wie militärische Hilfe. Die bisher einzig stabile und relativ sichere Region in Syrien, die von der kurdischen Bevölkerung in demokratischen Räten in Zusammenarbeit mit sämtlichen Bevölkerungs- und Religionsgruppen verwaltet wird, ist nun Ziel eines gezielten Destabilisierungsversuchs der offenbar auch von der türkischen Regierung mitgetragen wird. Zuvor waren gut eine Million Inlandsflüchtlinge vor den Auseinandersetzungen in diesen Teil des Landes geflohen.
„Wir verurteilen die Angriffe von Al Qaida und FSA auf die kurdische Bevölkerung in Syrien aufs Schärfste. Kriegsverbrechen, wie Massaker, Vergewaltigungen und Folter müssen sofort aufhören. Die EU und die Bundesregierung sind gefordert, entsprechenden politischen Druck auf die Türkei, Katar und Saudi Arabien zu machen, um weitere Massaker und einen offenbar geplanten Genozid zu verhindern“, so Heidrun Dittrich, Mitglied des Bundestags (MdB) DIE LINKE.
„Sämtliche Waffenlieferungen nach Syrien müssen sofort eingestellt werden. In Europa und in vielen Teilen Kurdistans demonstrierten am Wochenende hunderttausende gegen die Massaker von Al Qaida und der FSA und für eine friedliche Entwicklung in Syrien. Bundesregierung und die EU müssen aufhören, aufgrund neokolonialistischer Interessen indirekt oder direkt Gruppen zu fördern, die Syrien destabilisieren und die Menschenrechte mit Füssen treten,“ ergänzt Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.
„Die von der kurdischen Demokratischen Partei der Einheit PYD und dem Hohen Rat aufgebauten demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen im Norden Syriens müssen international geschützt werden. Beispielhaft hat die kurdische Bevölkerung hier eine friedliche Demokratisierung unter Einbeziehung sämtlicher Bevölkerungs- und Religionsgruppen ermöglicht,“ so Martin Dolzer aus dem SprecherInnenrat des Bundesarbeitskreises Demokratie für die Türkei – Frieden in Kurdistan BAK-DTFK der Partei DIE LINKE.
- Heidrun Dittrich, Mitglied des Bundestags (MdB) DIE LINKE
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Annette Groth, MdB DIE LINKE
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Andrej Hunko, MdB DIE LINKE, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
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Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE
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Harald Weinberg, MdB DIE LINKE
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Dr. Peter Strutynski, Bunesausschuß Friedensratschlag
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Werner Ruf, Friedensforscher
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Cansu Özdemir, Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft DIE LINKE
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Marion Padua, Stadträtin Linke Liste Nürnberg
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Bundesarbeitskreis Demokratie in der Türkei, Frieden in Kurdistan BAK-DTFK, DIE LINKE
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