Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Islamisten gegen Frieden

USA und Rußland bereiten Syrien-Gespräche in Genf vor. Al-Nusra-Front erteilt Verhandlungen im Vorfeld Absage. Berichte über Massaker bei Damaskus

Von Karin Leukefeld *

Diplomaten der USA und Rußlands haben sich am Freitag in Genf mit dem internationalen Syrien-Beauftragten Lakhdar Brahimi über weitere Details der bevorstehenden Syrien-Konferenz beraten. Die Konferenz, die als »Genf II« bezeichnet wird, soll am 22. Januar in der schweizerischen Stadt Montreux beginnen. An dem Treffen nahmen der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow und seine US-Amtskollegin Wendy Sherman teil. Nach einer ersten Gesprächsrunde wurde das Treffen um die weiteren Vetomächte des UN-Sicherheitsrates China, Frankreich und Großbritannien sowie um die Vertreter der Nachbarstaaten Syriens – Libanon, Irak, Jordanien und Türkei – erweitert.

Bogdanow war zuvor mit Abgesandten der »Nationalen Koalition« zusammengetroffen, um über die Zusammensetzung der Oppositionsdelegation bei der geplanten Konferenz zu sprechen. Die Gruppe beansprucht die alleinige Vertretung und will nur unter der Bedingung an der Syrien-Konferenz teilnehmen, daß der amtierende syrische Präsident Baschar Al-Assad in der zukünftigen Politik Syriens keine Rolle mehr spielt. Die syrische Regierungsdelegation lehnt Vorbedingungen ab und wird bei den Verhandlungen erklärtermaßen den Anweisungen von Staatschef Assad folgen.

Rußlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor erklärt, bei der »Genf II«-Konferenz müsse der Kampf gegen den grenzüberschreitenden Terror zentrales Thema sein. Ähnlich äußerte sich auch der syrische Außenminister Faisal Mikdad gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP. An diesem Punkt sollten »sich alle Syrer einig sein«, so Mikdad. Alle weiteren Themen seien »offen zur Diskussion«, doch am Ende müßten Wahlen stehen, um über die Führung des Landes zu entschieden.

Der arabische TV-Sender Al-Dschasira strahlte am Donnerstag ein Interview mit dem Anführer der Al-Nusra-Front, Abu Mohammed Al-Golani aus. Der erklärte darin, Al-Nusra werde »kein Ergebnis der ›Genf II‹-Konferenz anerkennen«. Der frühere US-Botschafter in Syrien, Robert Ford, war am Dienstag in der Türkei mit »Unterhändlern« von Islamisten zusammengetroffen.

Die französische Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« erklärte derweil, daß bei Luftangriffen auf von Aufständischen gehaltene Stadtviertel von Aleppo in den letzten Tagen mindestens 189 Menschen getötet und mehr als 800 Menschen verletzt worden seien. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums, Vincent Floriani, warf der syrischen Regierung in dem Zusammenhang »Kriegsverbrechen« vor. Keine Beachtung fand in westlichen Medien der Angriff von Kämpfern der Al-Nusra-Front und anderer Gruppen der »Islamischen Front« auf Adra, einen Vorort von Damaskus. Anfang der Woche hatte die syrische Regierung der UNO mitgeteilt, daß mehr als 100 Einwohner des Ortes am 11. Dezember richtiggehend »abgeschlachtet« worden waren. Die Bewaffneten hätten die Wohnungen von staatlichen Arbeitern angezündet, viele seien erschossen und ihre Körper verstümmelt worden. Andere seien in Kellern eingesperrt und als menschliche Schutzschilde benutzt worden. Augenzeugen berichteten, Dutzende Menschen seien enthauptet oder bei lebendigem Leib verbrannt worden.

Amnesty International (AI) warf den mit Al-Qaida verbundenen Islamisten in Syrien vor, Menschen zu entführen, Gefangene zu foltern und zu ermorden. In ihren Scharia-Gerichten und geheimen Gefängnissen herrschten »unmenschliche« Bedingungen. Die Menschenrechtsorganisation forderte die Türkei und die Golfstaaten auf, ihre Waffenlieferungen und Hilfe an diese Kämpfer einzustellen. »Besonders die türkische Regierung sollte verhindern, daß ihr Territorium von ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien, jW) genutzt wird, um Waffen und Kämpfer nach Syrien zu bringen«, so AI.

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. Dezember 2013


Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage