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Ausweitung der Sanktionen

Syriens Opposition lehnt westliche Strafmaßnahmen gegen Assad ab

Von Karin Leukefeld *

Eine humanitäre Delegation der Vereinten Nationen hat am Wochenende ihre Arbeit in Sy­rien aufgenommen. Der Delegation sei »ungehinderter Zugang« zu allen Plätzen zugesagt worden, an denen es in den letzten Wochen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen war, teilte das zuständige UNO-Büro mit. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) rechnet damit, syrische Gefängnisse und Haftzentren sofort besuchen zu können. Man sei sehr »zuversichtlich, daß der ungehinderte Zugang gewährt« werde, sagte die IKRK-Delegationsleiterin in Syrien, Marianne Gasser, der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende. »Die Besuche können in Kürze beginnen, Bisher hatten wir noch nie freien Zugang« zu Gefangenen.

Unterdessen plant nun nach den USA auch die Europäische Union eine Ausweitung von Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte zudem den Rücktritt von Präsident Baschar Al-Assad. Wie ihr Sprecher Michael Mann am Freitag in Brüssel erklärte, sollen EU-Staaten, die aus Syrien Öl und Ölprodukte beziehen, diesen Handel einstellen. Die EU-Kommission wird auch über eine Resolution abstimmen, die eine internationale Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen nach Damaskus bringen soll. Die USA hatten bereits am Donnerstag ihre Strafmaßnahmen gegen Syrien auf alle Investitionen sowie auf den Ölimport ausgeweitet.

Unter Verweis auf 13 Jahre UNO-Sanktionen gegen den Irak und die katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung warnen Beobachter bereits vor Wirtschaftssanktionen. Auch fortschrittliche Vertreter der syrischen Opposition lehnen solche Maßnahmen ab.

Weder Rußland noch die Türkei oder andere arabische Staaten haben sich bisher den Rücktrittsforderungen des Westens angeschlossen. Assad brauche Zeit, um zu beweisen, daß er es mit den Reformen ernst meine, sagte Alexander Lukaschewitsch, Sprecher des russischen Außenministeriums. »Wir werden mit unserer prinzipiellen Haltung gegenüber Syrien fortfahren«. Der Journalist Neil Clark erklärte im russischen Nachrichtensender Russia Today (RT), der Ruf nach Rücktritt werde vom Westen erhoben, weil Präsident Assad gute Beziehungen mit dem Iran und Rußland habe, nicht weil der Westen sich um die Menschenrechte der Syrer sorge. »Die USA und ihre Verbündeten wollen in Wirklichkeit einen Regimewechsel in Syrien. Wären sie ernsthaft daran interessiert, die schreckliche Situation in Syrien zu beenden«, müßten sie sich dafür stark machen, »einen Dialog zwischen beiden Seiten« in Gang zu bringen. Vor zwei Wochen habe Assad ein Gesetz zur Einführung eines Mehrparteiensystems in Syrien erlassen, dann habe er ein Ende der Militäroperationen angeordnet. »Und was kommt? Anstatt daß die USA sagen: ›Gut so, komm’ in die Gänge‹, kommen diese Aufforderungen nach seinem Rücktritt«, so der Journalist.

Der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Bashar Al-Jafari, kritisierte unterdessen das Vorgehen »einiger einflußreicher Staaten im UN-Sicherheitsrat«. Sie nutzten das Gremium, um »ihre ungerechtfertigten Strategien gegen Syrien und die Region« durchzusetzen, sagte er am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Die Syrer fühlten den Schmerz über das, was in ihrem Land geschehe, »mehr als der britische Ministerpräsident, der französische Präsident oder die deutsche Bundeskanzlerin«, so Al-Jafari. Der UNO-Sicherheitsrat müsse sich »mit den Mitgliedsstaaten auseinandersetzen, nicht mit Medienberichten oder Youtube-Videos.«

Vertreter der syrischen Exilopposition trafen sich am Sonntag erneut in Istanbul, um einen »Nationalrat« zu gründen, der den politischen Übergang in Syrien in die Hand nehmen soll.

* Aus: junge Welt, 22. August 2011


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