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Noch fehlt es an Druck auf die Dschihadisten

Syriens Chemiewaffen-Abrüstung braucht eine Feuerpause auf beiden Seiten

Von Roland Etzel *

Eine schnelle Lösung der Syrien-Krise dürfte zur meistgestellten Forderung bei der UNO-Vollversammlung werden. Die Formulierung einer neuen Resolution des Sicherheitsrats zur Abrüstung der Chemiewaffen gestaltet sich aber schwieriger als zunächst gedacht. Dazu bedarf es wesentlich mehr als theatralischer Worte.

Von den westlichen Ländern wird eine »starke« Resolution des UN-Sicherheitsrates mit massiven Drohungen gegen die syrische Regierung verlangt, falls diese nicht in gewünschtem Maße bei der Kontrolle und anschließenden Vernichtung ihrer Chemiewaffen kooperieren sollte. Am lautesten in dieser Beziehung ist Frankreich, das bei »Zeitspiel« von Syriens Staatschef Baschar al-Assad die Drohung mit Militärschlägen ohne eine erneute Resolution festgeschrieben sehen möchte. Die USA haben dieser Formulierung vom Pariser Außenminister Laurent Fabius nicht widersprochen.

Um das eigentliche Problem wird dabei herumgeredet: Wie sollen hochgefährliche Waffen bzw. deren Komponenten, die in Syrien dezentral gelagert sind, mitten im Krieg an bestimmten Plätzen gesammelt werden? Im Kampfgetümmel ist das unrealistisch. An die syrische Armee sowie die sehr heterogene Phalanx ihrer militärischen Widersacher müsste deshalb die unmissverständliche Aufforderung zu einem Waffenstillstand gehen.

Assad scheint dabei das geringere Problem zu sein. Moskau hat ihm sehr deutlich die Instrumente gezeigt. Als Hauptverbündeter mahnte Russland am Wochenende, »sich an die Vereinbarungen zu halten«. Er spreche jetzt »theoretisch und hypothetisch, aber sollten wir zu der Überzeugung kommen, dass Assad betrügt, könnten wir unsere Haltung ändern«, zitierte dpa den russischen Ex-Verteidigungsminister Sergej Iwanow.

Die bewaffnete syrische Opposition wird derartigen Drucks ebenfalls bedürfen, um zu einer Position zu finden, die zu einem Waffenstillstand führt. Derzeit ist das nicht der Fall. Die Forderung nach vorherigem Rücktritt Assads sowie die Einstellung aller militärischen Operationen der regulären Armee ist eine indirekte Absage an jede Feuerpause, da sie eine De-Facto-Kapitulation der Gegenseite verlangt. Das ist ein Nein zu Verhandlungen. Und solange die Mentoren der Rebellen in Ankara und Paris dies kommentarlos geschehen lassen und die Sponsoren in Katar und Saudi-Arabien von westlichen Vetomächten nicht stärker zum Dialog gedrängt werden, wird keiner der Rebellenführer sich veranlasst sehen, seine Haltung zu ändern.

Derzeit bekämpfen sie sich untereinander. Allein bei Gefechten zwischen »Al-Qaida-Terroristen«, wie Exilsyrer in London am Montag per Internet schrieben, und einer lokalen Rebellengruppe seien in der syrischen Provinz Idlib 20 Kämpfer getötet worden. Bislang ermöglichte Ankara den Waffennachschub für Anti-Assad-Brigaden über seine lange gemeinsame Landgrenze mit Syrien. Es ist daher ziemlich aberwitzig, wenn sich jetzt ausgerechnet der türkische Präsident Abdullah Gül besorgt über den »Vormarsch dschihadistischer Gruppen an der Grenze« äußert – auf der türkischen Seite wohlgemerkt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 24. September 2013


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