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UN-Truppe bleibt in Syrien

Rebellen reklamieren Erfolge / De Maizière gegen NATO-Intervention

Von Roland Etzel *

Der Krieg der Worte im UN-Sicherheitsrat hat sich nach der durchgefallenen Resolution gegen Syrien verschärft. Das Mandat für die UN-Beobachter wurde aber verlängert. Das Ausmaß der Kämpfe in Syrien nimmt unterdessen zu. Deutschland schließt einen Militäreinsatz der NATO weiter aus.

Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates haben gestern, nachdem sie sich in den Tagen zuvor nicht auf eine Resolution zu Syrien hatten einigen können, wenigstens beschlossen, das Mandat der Beobachtungstruppe zu verlängern. Letzteres wäre sonst gestern ausgelaufen. Bis 17 Uhr MESZ war darüber heftig gestritten worden. Russland unterstützte, wie dpa Donnerstagnacht berichtete, einen Resolutionsentwurf Pakistans, der eine Verlängerung der UN-Mission um 45 Tage vorsah. Der von Großbritannien eingebrachte Entwurf des Westens enthielt neben Unterschieden in Details vor allem Sanktionsdrohungen gegen Syrien.

Dabei war der Ton der Debatte scharf bis unversöhnlich. Der Sprecher des Weißen Hauses verkündete, ohne auf Moskauer Vorhaltungen einzugehen, China und Russland stünden mit ihrer Haltung »auf der falschen Seite der Geschichte«. Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin hatte nach seiner Ablehnung der Resolution gesagt: »Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir keine Resolution akzeptieren können, die einen Verweis auf Kapitel VII enthält und damit die Tür für eine militärische Intervention öffnet.« Am Ende einigte man sich auf 30 Tage Verlängerung - einstimmig und ohne Sanktionen.

Während Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag die »Blockadehaltung« von Moskau und Peking beklagt hatte, war es seinem Kabinettskollegen aus dem Verteidigungsressort am Freitag in der ARD wichtig, etwas anderes zu betonen. »Ein Militäreinsatz der NATO unter UN-Mandat zur Beendigung des blutigen Konflikts«, so Thomas de Maizière, komme aus seiner Sicht weiterhin nicht in Frage. Er sei »aus militärischer Sicht sehr schwierig« und im Falle eines zu erwartenden Häuserkampfes auch »sehr verlustreich«.

Die Rebellen der Freien Syrischen Armee behaupten, dass bereits jeder dritte Regierungssoldat desertiert. Ihnen sei es überdies gelungen, Grenzübergänge zu Irak und zur Türkei unter ihre Kontrolle zu bringen.

Erneut wurde auch über eine Flucht von Präsident Baschar al-Assad spekuliert. Radio France International zitierte Russlands Botschafter in Spanien, Alexander Orlow, mit den Worten, Assad sei sich der Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst und habe akzeptiert, sich zurückzuziehen. Laut der russischen Agentur Interfax seien diese Aussagen jedoch »aus dem Zusammenhang gerissen«.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 21. Juli 2012


Schwere Gefechte in Damaskus

Opposition spricht von dramatischer Gewaltzunahme. Syrischer Geheimdienstchef stirbt an Anschlagsfolgen *

Zwei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf die syrische Militärführung ist ein weiteres Opfer seinen Verletzungen erlegen. Geheimdienstchef Hischam Bachtjar sei am Freitag morgen an den Folgen des Angriffs gestorben, berichtete das Staatsfernsehen. Die Regierung wies Äußerungen des russischen Botschafters in Paris zurück, Assad sei zur Aufgabe der Macht bereit. Alexander Orlow hatte dem französischen Sender RFI gesagt, das Kommunique der jüngsten Syrien-Konferenz in Genf spreche von einem Übergang zu einem demokratischeren System. »Dieses Schlußdokument wurde von Assad angenommen«, sagte Orlow. Damit habe Assad akzeptiert, in einem geordneten Verfahren abzutreten. Das syrische Informationsministerium erklärte, die Äußerungen entbehrten jeder Grundlage.

Kurz vor Bekanntgabe des Todes von Bachtjar berichtete das Fernsehen über die Trauerfeiern für die drei anderen Opfer des Selbstmordattentats vom Mittwoch. Darunter war der Verteidigungsminister und ein Schwager Assads. Der Angriff wird als schwerer Schlag für den Präsidenten Baschar Al-Assad gewertet.

In Damaskus hielten die schweren Gefechte zwischen Regierungskräften und Aufständischen den sechsten Tag in Folge an. Aus allen Teilen des Landes strömten nach Angaben von Oppositionellen bewaffnete Kämpfer zur »Entscheidungsschlacht« in die Hauptstadt. »Das Regime erlebt seine letzten Tage«, behauptete der Chef des Syrischen Nationalrats, Abdel Basset Saida, in Rom. Es werde eine dramatische Zunahme der Gewalt geben. Das Staatsfernsehen meldete, aus dem Stadtteil Midan seien die »Söldner und Terroristen« vertrieben worden.

Unterdessen erklärte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, die Situation in Syrien ließe keine sinnvollen militärischen Interventionsmaßnahmen zu. Darüber hinaus sei man von einer entsprechenden UN-Resolution noch weit entfernt, sagte der Politiker im ARD-Morgenmagazin. (Reuters/dapd/jW)

** Aus: junge Welt, Samstag, 21. Juli 2012

Security Council extends mandate of UN observers in Syria for 30 days

20 July 2012 – The Security Council today renewed the mandate of United Nations observers tasked with monitoring the cessation of violence in Syria and the full implementation of the international peace plan put forward to end the ongoing crisis.

In a unanimously adopted resolution, the Council extended the UN Supervision Mission in Syria (UNSMIS) for a final period of 30 days, “taking into consideration Secretary-General Ban Ki-moon’s recommendations to reconfigure the Mission, and taking into consideration the operational implications of the increasingly dangerous security situation in Syria.”

The Council established UNSMIS in April with an initial 90-day mandate, which expired today.

The Mission had recently suspended its regular patrols due to the escalating violence in the country, where over 10,000 people, mostly civilians, have been killed and tens of thousands displaced since the uprising against President Bashar al-Assad began some 16 months ago.

UNSMIS was tasked with monitoring the cessation of violence in Syria, as well as monitoring and supporting the full implementation of the six-point peace plan put forward by the Joint Special Envoy for the UN and the League of Arab States for the Syrian Crisis, Kofi Annan.

That plan calls for an end to violence, access for humanitarian agencies to provide relief to those in need, the release of detainees, the start of inclusive political dialogue, and unrestricted access to the country for the international media.

Speaking to reporters in Ljubljana, Slovenia, Mr. Ban said that he and the Joint Special Envoy would press ahead to try and end the violence and abuses in Syria.

“We cannot abandon our collective responsibility to enable a peaceful, democratic, Syrian-led transition that meets the legitimate aspirations of the Syrian people,” he said.

The UN chief called again on all the parties, starting with the Syrian Government and opposition forces, to stop the killing, and especially the use of heavy weapons against the civilian population.

With fighting now taking place in many parts of Syria, the UN High Commissioner for Human Rights, Navi Pillay, strongly urged all sides to make a huge effort to ensure civilians are not killed or injured.

“Conflict in urban areas is obviously especially dangerous to civilians. And far too many innocent men, women and children have already been killed and injured already, as well as a million displaced,” her spokesperson, Rupert Colville, told reporters in Geneva today.

The UN High Commissioner for Refugees, António Guterres, has also expressed his growing concern for the dramatic numbers of people who are fleeing their homes in Syria.

“With the spread of deadly violence, I am gravely concerned for the thousands of Syrian civilians and refugees who have been forced to flee their homes,” he stated.

Thousands of Syrians crossed into Lebanon yesterday, the spokesperson for the Office of the UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), Melissa Fleming, told a news conference in Geneva, adding that there are various reports claiming that between 8,500 and 30,000 people having crossed in the past 48 hours.

In consultation with government authorities, UNHCR and partners are now in the field verifying numbers and assessing the profile and needs of newly arrived Syrians, with a particular focus on vulnerable people who may need immediate assistance.

According to the agency’s registration statistics on 18 July, 120,000 Syrian refugees sought protection in Jordan, Lebanon, Iraq and Turkey. According to Government estimates, the numbers are much higher, noted Ms. Fleming.

Source: UN News Centre, 20 July 2012; http://www.un.org




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