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Fragile Waffenruhe

Lawrow und Annan für schnelle Stationierung der UN-Beobachter in Syrien

Von Karin Leukefeld *

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich für eine rasche Stationierung der UN-Beobachter in Syrien ausgesprochen. Der UN-Sicherheitsrat hatte mit der Resolution 2043 am 21. April einstimmig die Entsendung von 300 UN-Beobachtern in die Arabische Republik beschlossen, die den vereinbarten Waffenstillstand zwischen den syrischen Sicherheitskräften und oppositionellen Gruppen überwachen sollen. Die Mission in Syrien, die zunächst auf drei Monate festgelegt wurde, sei »positiv«, sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Er hoffe, daß die Versuche, »die Arbeit der UN-Beobachtermission zum Scheitern zu bringen, keinen Erfolg haben werden«. Derzeit befinden sich elf Abgesandte in Syrien.

Der von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga beauftragte Syrien-Sondergesandte Kofi Annan hat die schnelle Stationierung der Beobachter als »entscheidend« für ihren Erfolg bezeichnet. Annan hatte sich am Dienstag (Ortszeit New York) per Videokonferenz vor dem UN-Sicherheitsrat zur Lage in Syrien geäußert. Vor dessen nicht öffentlicher Sitzung hatte Annans Sprecher in Genf gesagt, die syrische Regierung habe ihre schweren Waffen nicht wie zugesagt vollständig aus umkämpften Städten abgezogen. Das zeigten »Satellitenbilder und glaubwürdige Berichte«. Die Waffenruhe sei »äußerst fragil«. Nach Angaben des Chefs der UN-Friedenstruppen, Hervé Ladsous, könnte es noch einen Monat dauern, bis die ersten 100 Beobachter vor Ort seien. Seinen Angaben zufolge lehnte Damaskus bereits Vertreter aus Ländern ab, die zur Gruppe der Freunde Syriens gehören. Dies sind unter anderen die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Saudi-Arabien, Tunesien und Katar.

Syrische Medien berichten täglich von getöteten Soldaten und Sicherheitskräften, Anschlägen auf öffentliche Infrastruktur, Entführungen und der Tötung von aktiven oder pensionierten Militärs. Westliche Medien berufen sich weiterhin mehrheitlich auf Quellen der Auslandsopposition und nicht identifizierte »Aktivisten aus Syrien«. Allein in Hama soll es am Dienstag 45 Tote und 150 Verletzte gegeben haben, berichtete eine »Syrische Liga für Menschenrechte«. Der Syrische Nationalrat (SNR) warf den Behörden vor, sich an der Bevölkerung rächen zu wollen, nachdem die Beobachter die Stadt verlassen hätten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. April 2012


Schuldzuweisungen in Syrien

Konfliktparteien werfen sich gegenseitig Eskalation vor. Annan: Lage »inakzeptabel« **

Regierung und Oppositionsgruppen in Syrien haben sich am Donnerstag gegenseitig die Schuld an einer Explosion in der Stadt Hama zugewiesen. Der Vorfall vom Mittwoch sei Teil »einer systematischen Eskalation durch regionale und internationale Mächte«, die bewaffnete terroristische Gruppen benutzten, um Annans Vermittlungsbemühungen zu sabotieren, meldete die syrische Nachrichtenagentur Sana. Im übrigen habe es 16 Tote gegeben. Die oppositionelle »Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte«, die ihren Sitz in Großbritannien hat, nannte die gleiche Opfer­zahl, erklärte aber, die Ursache der Explosion sei nicht klar.

Die syrische Führung hat erneut erklärt, sie habe, wie vom internationalen Sondergesandten Kofi Annan gefordert, ihre Truppen und schweres militärisches Gerät wie Panzer aus den Städten abgezogen. Annan hat dies jedoch angezweifelt und erklärt, die Lage sei weiterhin inakzeptabel. Frankreichs Außenminister Alain Juppé drohte damit, sich im UN-Sicherheitsrat für eine Resolution einzusetzen, die den Weg für einen internationalen Militäreinsatz freimachen könnte, wenn binnen zwei Wochen immer noch zu wenige UN-Beobachter vor Ort seien. Derzeit befinden sich erst 15 der angekündigten 300 Beobachter im Land.

Unterdessen hat der Europarat ein weltweites Waffenembargo gegen Syrien gefordert. Der UN-Sicherheitsrat müsse »unverzüglich« ein solches Embargo beschließen, um Waffenexporte nach Syrien zu unterbinden, verlangte die Parlamentarische Versammlung des Rates am Donnerstag in Strasbourg. Diese Forderung hatte vor einigen Tagen auch US-Außenministerin Hillary Clinton erhoben. Die Versammlung verurteilte die »allgemeinen, systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen« durch die syrische Armee. Die Verantwortlichen müßten zur Rechenschaft gezogen werden, gegebenenfalls vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Das Gleiche gelte für einige aufständische Gruppen, die Menschenrechtsverletzungen begangen hätten. (dapd/Reuters/AFP/jW)

** Aus: junge Welt, Freitag, 27. April 2012


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