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UN-Beobachter nach Syrien

Vermittler Annan will Friedensplan durchsetzen / Skepsis im Westen

Von Roland Etzel *

In Syrien wird in den nächsten Tagen eine Beobachtermission der UNO eintreffen. Sie soll die Einhaltung der Waffenruhe überwachen, die es ab 10. April in Syrien geben soll.

Kofi Annan hatte gehandelt, wie es einem cleveren Diplomaten gebührt: Wenig Wasserstandsmeldungen über die zahlreichen Einzelgespräche, aber wenn die notwendigen Zusagen vorliegen, wird kompakt informiert, auch über die nächstfolgenden Schritte.

Am Montagabend (2. April) hatte der UN-Sondergesandte den Sicherheitsrat darüber in Kenntnis gesetzt, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad eingewilligt habe, per 10. April einen Waffenstillstand zu akzeptieren, die Armee mit ihren schweren Waffen aus den Provinzhauptstädten abzuziehen und internationale Beobachter ins Land zu lassen. Der letzte Punkt war der syrischen Führung wohl am unangenehmsten. Sie bestand lange darauf, den Friedensplan »mit eigenen Kräften« kontrollieren zu wollen. Darauf war Annan nicht eingegangen.

In den westlichen Staaten ist Annans Diplomatievorstoß ausgesprochen kühl aufgenommen worden. Spitzenpolitiker äußerten sich vorerst gar nicht. Die zweite Reihe beschränkte sich darauf, Zweifel ob der Aufrichtigkeit Assads zu äußern, ohne den Plan Annans wenigstens im Grundsatz zu begrüßen.

Die Präsidentin des UNO-Sicherheitsrates, in diesem Monat US-Botschafterin Susan Rice, zeigte sich mehr als zurückhaltend. »Wir haben schon viele Versprechen gehört, und viele wurden gebrochen«, kommentierte sie nach der Sitzung Annans Mitteilung über die syrische Zusage. »Deshalb bleiben wir misstrauisch.« Der deutsche UN-Botschafter Miguel Berger sprach immerhin von einem Erfolg, um dann hinzuzufügen: »Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen müssen wir allerdings vorsichtig sein - noch dauert die Gewalt an.«

Zumindest für den gestrigen Dienstag traf das zu. In Inchel in der südlichen Provinz Daraa lieferten sich Armee und desertierte Soldaten Gefechte, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Ihr zufolge brannten Soldaten Häuser nieder und zerstörten Lebensmittelvorräte. Die Regierung weist dies als unwahr zurück. Kämpfe und Festnahmen soll es auch in den Provinzen Damaskus und Idlib gegeben haben.

Einmal mehr fällt auf, dass die Opposition weder von den USA noch von Deutschland zu einer Waffenruhe aufgerufen worden ist. Während es in Damaskus bei symbolischen Straßenblockaden blieb, wurde in der zweitgrößten Stadt Aleppo von Bewaffneten ein Unternehmenssitz angegriffen, wobei mehrere Beschäftigte getötet wurden.

Vorzeichen eines Scheiterns müssen das nicht unbedingt sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass vor dem Inkrafttreten einer Waffenruhe die Konfliktparteien ihre Ausgangspositionen verbessern bzw. mit spektakulären Aktionen aufwarten wollen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. April 2012


Wer unterstützt Annan?

Von Roland Etzel **

Gelingt es Kofi Annan, dem UN-Sondergesandten für Syrien, eine Waffenruhe innerhalb einer Woche herzustellen, was zuvor ein ganzes Jahr lang scheiterte? Es ist nur zu verständlich, dass da skeptische Stimmen überwiegen; in den USA und anderen westlichen Staaten, aber auch in Russland. Einiges spricht allerdings dafür, dass die Beweggründe für derlei Zurückhaltung recht unterschiedlich sind.

Die pessimistische Haltung der Russen erhielt erst am Wochenende neue Nahrung durch die Geschehnisse in Istanbul. Dort hatten sich die westlichen Führungsmächte und die ultrakonservativen Golfmonarchien gerade zum ersten Mal auch öffentlich darauf verständigt, die syrischen Regimegegner großzügig zu bewaffnen. Ist es da realistisch zu erwarten, dass diese Pläne sofort wieder zugunsten eines Dialog- und Friedensplans ad acta gelegt werden? Außerdem: Katarische und saudi-arabische Vertreter haben zwar mit Annan geredet. Zustimmende Äußerungen für seine Kompromissvorschläge erhielt er von ihnen aber nicht. Sie haben im Gegenteil seine Mission fast schon vor Beginn als gescheitert bezeichnet - und darauf hingearbeitet.

Die Appelle der Russen galten von Anfang an beiden Konfliktparteien in Syrien. Es kostete sie deshalb auch keine diplomatischen Verrenkungen, Annan zu unterstützen. Der einstige Generalsekretär der Weltorganisation sieht sich deren Grundprinzipien verpflichtet und verfährt entsprechend, wie er das auch in anderen Konflikten pflegte: unparteiisch bleiben, deeskalieren, friedlich internationalisieren. Freilich hängt der Erfolg auch bester Strategien am Ende vom guten Willen der Beteiligten ab, Türkei und USA haben da gelinde gesagt noch Reserven.

Nach Lage der Dinge haben es auf absehbare Zeit weder die syrische Führung noch ihre inländischen Widersacher in der Hand, die andere Seite zu besiegen, ohne selbst mit unterzugehen. Längst ist das Land, wie bereits seit den 70er Jahren der Nachbar Libanon, zum Zankapfel der konkurrierenden regionalen Mächte geworden. Jene stehen nun vor der Entscheidung, sich entweder auf dem von Annan gewiesenen Wege auf einen Interessenausgleich einzulassen - oder aber ihre Rivalität stellvertretend auf dem Kampfplatz Syrien auszutragen. Auch dann wird es sicher Sieger geben; Syrien als Land wird kaum dazu zählen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. April 2012 (Kommentar)

Letzte Meldung

Syrische Oppositionelle verhandeln am 17. und 18. April in Moskau

Vertreter des oppositionellen Nationalen Koordinationskomitees von Syrien werden sich am 17. und 18. April zu Gesprächen in Moskau aufhalten.

Das teilte das russische Außenministerium am Mittwoch mit. Am 10. April werde zudem der syrische Außenminister Walid Mualem zu Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow nach Moskau kommen.

Zuvor hatte Lawrow angekündigt, dass alle drei Lager der syrischen Opposition demnächst ihre Vertreter zu Gesprächen nach Moskau entsenden würden.

Vergangene Woche hatte Lawrow die bewaffnete Opposition in Syrien, die seit mehr als einem Jahr gegen die Regierungstruppen kämpft, aufgerufen, den Friedensplan des UN-Sonderbeauftragten Kofi Annan zu akzeptieren. Zuvor hatte die Regierung in Damaskus bereits dem Plan zugestimmt, dessen Umsetzung am 10. April beginnen soll.

Der Plan, den der UN-Sicherheitsrat am 21. März einhellig unterstützt hatte, sieht die Beendigung der Gewalt, einen Abzug der Regierungstruppen aus den Städten, einen Dialog zwischen Regierung und Opposition und einen freien Zugang für Hilfsgüter vor.

RIA Novosti, 4. April 2012




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