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Schlacht um Aleppo

Syrien: Offensive der Aufständischen zur Einnahme der Wirtschaftsmetropole

Von Karin Leukefeld *

Unter dem Motto »Alles oder nichts« hatten bewaffnete Aufständische vor dem Wochenende angekündigt, die syrische Wirtschaftsmetropole zu übernehmen. Nach eigenen Angaben seien »einige tausend« Kämpfer in die Offensive eingebunden. Ein AFP-Korrespondent gab an, Dutzende Kämpfer in Schulen im Norden der Stadt (Izaa) gesehen zu haben, die mit Mörsergranaten gefeuert hätten. »Heute nacht wird Aleppo von uns übernommen, oder wir werden geschlagen«, sagte ein Mann namens Abu Furat, der sich als Leiter der Al-Tawhid-Brigade ausgibt.

Ein erster Sturm auf Aleppo war Ende Juli gescheitert, weil es zu Mangel an Kämpfern, Waffen und Munition gekommen war, nachdem die syrische Armee durch die weitgehende Einkreisung der Stadt den Aufständischen die Nachschubwege abgeschnitten hatte.

Auch diesmal scheint die Offensive am dritten Tag ins Stocken geraten zu sein. Während bei Angriffen die Zahl der Toten unaufhaltsam steigt und die Zerstörungen in Aleppo anhalten, räumten die bewaffneten Gruppen ein, keinen »strategischen Durchbruch« erzielt zu haben. Die Kämpfe konzentrierten sich offenbar erneut auf den im Südwesten der Stadt gelegenen Stadtteil Salaheddin, der bereits bei früheren Kämpfen schwer zerstört worden war. Man käme nicht voran, bestätigte Abu Furat der französischen Nachrichtenagentur AFP. »Um als Guerilla einen Häuser- und Straßenkrieg zu gewinnen, brauchst du Bomben, die haben wir nicht«. Die von den Aufständischen gemeldete Zerstörung des alten Marktes von Aleppo (Souk), der angeblich von der syrischen Armee in Brand geschossen worden sein soll, wurde bis Redaktionsschluß offiziell nicht bestätigt. Der Markt im historischen Kern von Aleppo gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Nach offiziellen Armeeangaben war es zu Kämpfen in verschiedenen Stadtvierteln in Aleppo sowie im Umland der Stadt gekommen. Dabei seien »viele Terroristen« getötet worden. Die Armee habe Lieferwagen zerstört, auf denen Maschinengewehre installiert waren.

Das staatliche russische Fernsehen hat derweil einen knapp 30minütigen Film »Schlacht um Syrien – Bericht von der Front« veröffentlicht. Das Material zu dem Film wurde über einen Zeitraum von zwei Monaten von einem Team des Senders zusammengetragen, während es eine Sondereinsatzbrigade begleitet hat. Auch Material der Aufständischen wurde verarbeitet. Der Bericht, dessen ins Deutsche übersetzte Fassung im Internet zu sehen ist, beschreibt den Alltag der Kämpfe im Umland von Damaskus und Aleppo. Der Reporter beschreibt die Vorgehensweise der Armee, das Auffinden eines Massengrabs. Ein Mann, Mohammad Saidi, der seine Wehrpflicht vor 30 Jahren absolvierte, meldete sich als Freiwilliger bei der Armee, nachdem Aufständische seinen Sohn ermordet hatten. Grund für den Mord war, daß der junge Mann sich geweigert hatte, sich den Aufständischen anzuschließen. Zu Wort kommt Rada Rekmani, eine Einwohnerin aus Jaramana, einem Vorort von Damaskus, wo mehr als 500000 Menschen leben. Sie habe auf dem Balkon gestanden und sich mit der Nachbarin unterhalten, als sie plötzlich mit großer Wucht getroffen und ins Zimmer geschleudert worden war, erzählt die Frau, die etliche Verletzungen hat. Unmittelbar vor dem Haus hatten Aufständische mit Fernbedienung eine Autobombe gezündet, als ein Trauerzug für getötete Soldaten aus Jaramana vorbeikam. »Schlacht um Syrien«: bit.ly/Schlacht-um-Syrien-Bericht

* Aus: junge Welt, Montag, 01. Oktober 2012


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