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Anhaltende Gewalt

Trotz Waffenstillstands weiterhin Gefechte im Südsudan. Hintergrund ist Machtkampf innerhalb der einstigen Befreiungsbewegung

Von Simon Loidl *

In mehreren Regionen Südsudans kommt es seit Tagen erneut zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Aufständischen. Während Vertreter von Regierung und Rebellen derzeit wieder in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba über ein Ende des Konflikts verhandeln, gab es am Dienstag und Mittwoch neue Meldungen über Kämpfe.

Am Dienstag eroberten Einheiten der Aufständischen nach eigenen Angaben erneut Malakal, die Hauptstadt des Bundesstaates Upper Nile. In den Tagen zuvor war es nach verschiedenen Medienberichten in der Region erneut zu heftigen Kämpfen gekommen. Laut BBC schoben sich Regierung und Aufständische die Schuld an der neuerlichen Eskalation gegenseitig zu. Malakal war bereits im Januar heftig umkämpft. Bei dem Versuch, in einem überfüllten Boot vor den Gefechten auf die andere Seite des Weißen Nils zu flüchten, ertranken damals 200 Menschen.

Seit Ende Januar befinden sich die südsudanesischen Konfliktparteien offiziell im Waffenstillstand. Dem Abkommen vorausgegangen waren von den ostafrikanischen Nachbarländern des Südsudan organisierte Gespräche. Allerdings sind die Länder der Region von dem Konflikt zu stark betroffen, um als neutrale Vermittler agieren zu können. Seit Beginn der aktuellen Kämpfe Mitte Dezember 2013 sind Zehntausende Menschen nach Äthiopien oder Kenia geflohen. Uganda wiederum hat an der Seite der Regierung von Präsident Salva Kiir militärisch eingegriffen.

Hintergrund der Gewalt ist ein seit langem bestehender Konflikt innerhalb der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM), der bis weit in die Zeit des Bürgerkriegs zurückreicht. Bereits in den 1990er Jahren hatte sich der heutige Kontrahent von Kiir, Riek Machar, mit einer Gruppe von der Organisation abgespalten. Ursache waren damals strategische Fragen über das Ziel des Kampfes. Zehn Jahre später kehrte Machar zwar wieder in die Reihen der SPLM zurück, doch die Spannungen zwischen verschiedenen Flügeln setzten sich bis heute fort.

Im Juli 2013 entließ Kiir seinen Vizepräsidenten Machar, nachdem sich dieser für einen Wechsel an der Spitze des Landes ausgesprochen und Kiir Korruption und Unfähigkeit vorgeworfen hatte. Nach Schießereien innerhalb der Präsidentengarde im Dezember breiteten sich die bewaffneten Auseinandersetzungen binnen kürzester Zeit in weiten Teilen des Landes aus. Milizen, die den gestürzten Vizepräsidenten unterstützen, übernahmen vorübergehend die Kontrolle über mehrere Städte. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bei den Kämpfen binnen weniger Wochen rund 10000 Menschen getötet, Hunderttausende sind sowohl innerhalb des Südsudan wie auch über die Grenzen geflohen.

In westlichen Medien wird meist die ethnische Seite des Konflikts hervorgehoben. Während Kiir ein Vertreter der Dinka ist, gehört Machar der Gruppe der Nuer an. Auch wenn die Konflikte im Sudan bzw. Südsudan seit Jahrzehnten ethnisch aufgeladen und angeheizt werden, greift diese Darstellung für den aktuellen Konflikt zu kurz. Hauptursache ist statt dessen der Machtkampf innerhalb der Führungselite der einstigen Befreiungsbewegung. Angehörige beider Bevölkerungsgruppen leiden unter den Kämpfen zwischen den Fraktionen. Das Magazin New African berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, daß Dinka und Nuer in den von den Kämpfen betroffenen Regionen vielfach versuchten, sich gegenseitig vor Übergriffen durch Armee wie Rebellen zu schützen.

Beobachter hatten bereits vor zwei Jahren davor gewarnt, daß nach der Unabhängigkeit des Südsudan zuvor in den Hintergrund gedrängte Konflikte aufbrechen könnten. Im Westen wurde die Abspaltung damals euphorisch begrüßt. Dort war der Konflikt im Sudan zuvor einseitig begleitet und bereits früh eine Abspaltungslösung favorisiert worden. Die »Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit« etwa betrieb schon Jahre vor der Abstimmung über die Unabhängigkeit ein langfristig angelegtes »Staatsaufbau«-Projekt im südlichen Sudan.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 20. Februar 2014


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