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"Unser Ziel ist die Wiedervereinigung"

Gespräch mit Elschafie Saeid. Über die Situation im Sudan nach der Abspaltung des Südsudan, die internationale Dimension des Konflikts und den "arabischen Frühling"


Elschafie Saeid wurde am 1. August 1955 in Khartum geboren. Er studierte Medizin und trat mit 20 Jahren der Kommunistischen Partei des Sudan (CPS) bei. 1979 wurde er inhaftiert und 1985 nach dem Aufstand gegen Präsident Dschafar Muhammad Al-Numeri freigelassen. Nach dem Putsch 1989, der Omar Al-Baschir an die Macht brachte, mußte Saeid erneut in den Untergrund. Für die CPS ist er u.a. für den Kontakt zu anderen Oppositionsparteien verantwortlich und so auch Führungsmitglied der oppositionellen National Democratic Alliance (NDA).


Im Juli 2011 hat sich der Südsudan als eigenständiger Staat etabliert. Wie hat sich dies auf die politische Landschaft im Sudan ausgewirkt?

Präsident Omar Al-Baschir versucht im wesentlichen, »Business as usual« zu machen. Er hat die Regierung seiner Nationalen Kongreßpartei (NCP) aufgelöst und im Dezember ein neues Kabinett gebildet. Dabei hat er zwar den Oppositionsparteien angeboten, sich daran zu beteiligen. Das haben aber wir, die Kommunistische Partei des Sudan (CPS), ebenso wie die meisten anderen Oppositionsparteien abgelehnt. Wir wollen nicht Teil einer Regierung sein, die der grundlegend veränderten Situation nicht Rechnung trägt. Nur die Democratic Unionist Party koaliert nun.

Was hätte Ihrer Ansicht nach passieren müssen?

Nach der Abspaltung des Südens hätte es eine grundlegende politische Neuordnung im Norden geben müssen, und ein zentraler Teil davon müßte sein, die Verfassung zu überdenken. Die Opposition schlug die Einberufung einer entsprechenden Konferenz vor, an der alle Parteien teilnehmen sollten. Alle müßten sich an einen Tisch setzen und angesichts der neuen Situation über die Zukunft des Landes beraten. Die Abspaltung des Südens war schließlich keine einfache Angelegenheit. Statt einer neuen Regierung bräuchten wir also eine Übergangsphase bis zu Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, die eine neue Konstitution auszuarbeiten hätte. Die Neuorientierung nach der Teilung des Landes kann nicht von einer einzelnen Partei geleistet werden und nicht unter der Führung dieser Partei passieren. Das muß von allen politischen Kräften des Nordens gemeinsam gemacht werden. Aber die Regierung akzeptiert das nicht.

Was sind die drängendsten politischen Fragen, die ein neues Kabinett lösen müßte?

Es herrscht immer noch Bürgerkrieg in mehreren Teilen des Landes, in Blue Nile, South Kordofan und Abyei. Viele Menschen wurden vertrieben oder getötet. Die Flüchtlinge sind oft ohne Unterkunft, ohne Nahrung. Die Frage des Krieges muß derzeit oberste Priorität haben. Dieser wird nur von der Regierungspartei getragen, alle anderen Parteien lehnen ihn ab.

Hinzu kommt die ökonomische Situation. Die Lage ist für viele Menschen so schlecht, daß sie nicht einmal genug zu essen und zu trinken haben. Eine Strategie der Regierung ist es, sich an verschiedene Länder zu wenden – etwa an den Iran oder an China –, um Unterstützung zu bekommen. Aber das ist natürlich keine Lösung. Wir brauchen eine Neuordnung der Verwaltung. Die Wirtschaft des Landes muß nun, nachdem der Großteil des Öls im Süden ist, von Grund auf neu ausgerichtet werden. Der Ausbau der Infrastuktur muß forciert werden, und die verschwenderischen Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit müssen eingestellt werden. Gleichzeitig muß die Korruption bekämpft werden, durch die bedeutende Teile des Reichtums des Landes gestohlen werden. Dabei geht es nicht um kleine Unregelmäßigkeiten, sondern um systematische Korruption in großem Stil. Das Land geht dadurch seiner Ressourcen verlustig, und die Verwaltung stellt sich in den Dienst dieses oder jenes Unternehmens.

Die Regierung aber hat als Prioritäten Sicherheit und Verteidigung, weil sie ständig Krieg führt. 60 Prozent des Budgets werden derzeit dafür ausgegeben.

Welche Rolle spielt das Militär innerhalb der Machtstrukturen?

Die NCP kam 1989 durch einen Putsch bewaffneter Kräfte an die Macht und regiert zusammen mit dem Militär. Damit ist aber nicht nur die traditionelle Armee gemeint. Dieses Regime hat einen riesigen Sicherheitsapparat aufgebaut. Dieser ist äußerst gut organisiert, bestens ausgerüstet und ähnelt eher einer paramilitärischen Organisation. Daneben gibt es mehrere Milizen, die eng mit der Regierung verbunden sind. Kurz gesagt: Mehrere Milizen, Polizei und Armee sind unter Kontrolle der NCP. Sie sind nicht Teil des Staates als unparteiische Organisation, sondern sie sind Teil einer Partei. Das wird besonders deutlich, wenn Oppositionsgruppierungen Demonstrationen organisieren, die dann stets von der Polizei angegriffen werden. Kundgebungen der regierenden NCP hingegen werden von denselben Sicherheitskräften geschützt. Ein kleiner Zirkel, bestehend aus Militärs und anderen Sicherheitskräften, Vertretern der Milizen und natürlich den politischen Aushängeschildern, also dem Präsidenten und ein paar anderen Personen, regiert den Sudan.

Wie wurde vor diesem Hintergrund der »arabische Frühling« im Sudan aufgenommen?

Die Entwicklungen sind für die Menschen in vielerlei Hinsicht sehr wichtig. Zum einen hat der Sudan Erfahrung mit solchen Umwälzungen. Das Land hat bereits zwei »Frühlinge« erlebt, den ersten 1964, die große Revolution gegen die Diktatur von General Ibrahim Abbud, deren Ergebnis eine demokratische Regierung war. Ein weiterer »Frühling« fand 1985 statt, als die Diktatur von Dschafar Muhammad Al-Numeri gestürzt wurde, die mehr als 16 Jahre geherrscht hatte. Auch damals wurde schließlich ein neues demokratisches Kabinett gewählt. Die Sudanesen kennen also »Frühlinge« aus ihrer eigenen Geschichte. Zum anderen haben die arabischen Revolten die junge Generation im Sudan inspiriert. Die jetzige Regierung, oder besser gesagt: die jetzige Diktatur des Sudan, begann im Jahr 1989. Wenn ein Junge oder Mädchen damals fünf Jahre alt war, ist diese Person heute 27 oder 28 Jahre alt und unter dieser Diktatur in einer Atmosphäre aufgewachsen, die die politische Entwicklung eines Menschen nicht befördert. Die Parteien waren teilweise im Untergrund. Es gab ständig ein Gefühl der Unterdrückung, die jungen Leute wissen, daß sie nicht frei sind, daß sich etwas verändern muß. Sie hatten bis jetzt nicht die Chance, die andere zum Beispiel durch 1964 oder 1985 gehabt haben. Deshalb wurde sie von den Ereignissen in Tunesien oder Ägypten stark inspiriert. Sie organisieren sich in neuen Gruppen, in Jugendverbänden und beginnen Mobilisierungsprozesse. Das ist die momentane Situation. Die Jugend versucht, etwas in Gang zu bringen.

Rechnen Sie mit dem Entstehen einer größeren Protestbewegung?

Die Lage ist natürlich sehr schwierig. Man kann nicht einfach das kopieren, was in den anderen Ländern passiert ist. In Tunesien und Ägypten gab es keinen Bürgerkrieg, im Sudan ist dieser immer noch nicht beendet. Die ethnischen Konflikte spielen hier eine weit prominentere Rolle. Hinzu kommt, daß das Friedensabkommen von 2005 die Situation etwas entspannt hat, es gab zumindest Ansätze eines demokratischen Lebens. Obwohl es ungefähr so ist, als würde ein Löwe sagen, daß er dich nicht frißt, aber du mit ihm im selben Zimmer lebst und er dich jederzeit fressen könnte. Das heißt konkret, daß unsere Partei zwar legal ist und wir offen arbeiten können. Aber jedes Mal, wenn ich schlafen gehe, weiß ich nicht, ob ich am Morgen noch in meinem Haus oder festgenommen bin. Wenn ich dann aufwache und alles ist in Ordnung, dann fange ich zu schreiben an, kritisiere öffentlich das Regime in Reden und Artikeln. Am Abend erwarte ich wieder, daß ich am nächsten Morgen verhaftet werde.

Beeinflußte Ihrer Ansicht nach die Entwicklung im Sudan die Ereignisse etwa in Ägypten?

Ja. Der Sudan wird von einer islamischen Partei regiert. Diese hat von Beginn an ein Konzept für die Veränderung der Gesellschaft entworfen, das sie »Modernisierungsprogramm« nennt. Baschir und seine Leute sagen genauso wie vor ihnen Numeri, daß sie die Gesellschaft basierend auf religiöser Ideologie erneuern wollen. In den 1980er und 1990er Jahren hat das zur Auswanderung von Millionen junger und gut ausgebildeter Sudanesen geführt, weil dieses »Modernisierungsprogramm« Staatsterror, Korruption, Bürgerkrieg und die Zerstörung der ökonomischen Ressourcen des Landes mit sich brachte. Der Sudan hatte also während der letzten Jahrzehnte sehr negative Beispiele für religiös geprägte Regierungen. Dies spielt derzeit in den politischen Diskussionen in Tunesien und Ägypten eine Rolle. Die Erfahrungen, die im Sudan gemacht wurden, sollen dort nicht wiederholt werden. Die Ereignisse beeinflussen sich also gegenseitig: Im Sudan werden die Menschen durch den »arabischen Frühling« inspiriert, und in den Ländern, in denen derzeit das politische System neu geordnet wird, sieht man sich genau an, was im Sudan während der letzten Jahrzehnte passiert ist.

Zurück zum Nord-Süd-Konflikt. Welche Position nahm die Kommunistische Partei des Sudan (CPS) dazu ein?

Unsere Partei war die erste, die in den frühen 1950er Jahren die Idee des Rechts auf Selbstbestimmung in die politische Diskussion über den Süden einbrachte. Das war im ersten Parlament des Sudan, noch vor der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien. Die Frage der Beziehungen zwischen Nord und Süd spielte bereits damals eine große Rolle. Schon zu dieser Zeit waren politische Vertreter des Südens nicht zufrieden mit denen des Nordens, da sie sich bei den Verhandlungen über die Unabhängigkeit übergangen fühlten. Der Süden wollte von Beginn an eine föderale Lösung und nicht von einer Zentralregierung im Norden verwaltet werden. Hätte es im Norden kluge Politiker gegeben, die sich ernsthaft mit diesen Vorschlägen auseinandergesetzt hätten, wäre uns die Abspaltung erspart geblieben.

Vertreter der CPS haben in diese Debatten die Idee der Selbstbestimmung eingebracht, die jedoch von den anderen nicht ernsthaft aufgegriffen wurde. Statt dessen kam es zu anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Partei entwickelte schließlich ein neues Konzept für die Lösung des Konflikts, nämlich eine Autonomie des Südens. 1969 putschten linksgerichtete Armeeoffiziere, die CPS unterstützte diesen Staatsstreich und nahm an der Regierung teil. Einer unserer führenden Genossen, Joseph Garang, war Minister für die Angelegenheiten des Südens und brachte die Vorschläge zur Autonomie ein. Diese wurden schließlich Teil der Regierungspolitik.

Nach den Ereignissen von 1971 (als ein von der CPS unterstützter neuerlicher Putschversuch unter der Führung von Haschem Al-Atta scheiterte; Anm. d. Red.) wurde die Partei verboten und viele führende Mitglieder wurden hingerichtet – unter ihnen auch Joseph Garang. Trotzdem wurde ein Jahr später im Zuge eines Abkommens zwischen der Regierung und den Rebellen des Südens eine Autonomieregelung beschlossen. Allerdings verletzte die Regierung diese schon bald darauf.

Wie war das Verhältnis der Kommunisten zur Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung, der SPLM?

Historisch hat die CPS wie gesagt stets für eine Sonderregelung für den Süden plädiert. Gleichzeitig haben wir aber immer darauf aufmerksam gemacht, daß es sich nicht um ein lokales Problem des Südens handelt, sondern daß der Konflikt Ausdruck einer generellen Krise des Landes ist. Diese war historisch aus der Schwierigkeit entstanden, einen kürzlich unabhängig gewordenen Staat zu regieren, in dem Macht und Reichtum nicht gleichmäßig verteilt sind. Unser Standpunkt war, daß man die Dinge in diesen Kategorien diskutieren muß. Die SPLM um John Garang sah dies zunächst ähnlich. Auch sie war der Ansicht, daß die Frage des südlichen Sudan nicht nur eine des Südens, sondern eine der politischen Strukturen, der Art der Regierung, der Verteilung von Reichtum und Macht im ganzen Land ist. Wenn diese Punkte richtig gelöst würden, wäre es die Frage des Südens ebenfalls. Die CPS hatte deshalb gute Beziehungen zur SPLM, wir arbeiteten zusammen. Spätestens nach der Spaltung der Rebellenorganisation 1991 wurde die Gruppe um Garang jedoch immer stärker von Washington beeinflußt und forderte ausschließlich die Selbstbestimmung, während andere Aspekte der politischen Krise des Sudan in den Hintergrund rückten.

Wie wurde die Frage der Abspaltung des Südens innerhalb der Opposition diskutiert?

1995 fand in Asmara in Eritrea eine Konferenz der National Democratic Alliance statt, einer Dachorganisation aller Oppositionsparteien, bei der eine Resolution zur Krise des Sudan entworfen wurde. Wir stimmten in vielen Fragen überein, etwa was Föderalismus oder das Verhältnis von Politik und Religion betrifft. Es gelang uns damals, Formulierungen zu finden, die von islamischen Oppositionsparteien ebenso mitgetragen werden konnten wie von säkularen Parteien wie unserer. Auf dieser Konferenz votierten auch alle Teilnehmer für das Recht auf Selbstbestimmung, wenn es nicht gelingen würde, den Süden davon zu überzeugen, Teil des Sudan zu bleiben. Das waren die historischen Positionen der Opposition.

Nach dem Friedensabkommen von 2005 plädierte die CPS für die Einheit des Landes. Wir versuchten, die Menschen davon zu überzeugen, daß wir dafür arbeiten müßten. Aber wir erkannten sehr schnell, daß die Politik der Regierung des Nordens dazu führen würde, daß der Süden an dieser Einheit kein Interesse haben wird. Dazu kam, daß einige Führungspersönlichkeiten des Südens sie grundsätzlich ablehnten. Das führte zusammen mit der Regierungspolitik dazu, daß die Menschen im Süden sich für einen eigenen Staat entschieden. Wir als Partei akzeptieren das natürlich, aber unsere Position war und ist bis heute die Einheit des Landes, und unser Ziel ist letztlich auch die Wiedervereinigung.

Wie läßt sich die internationale Dimension des Konfliktes beschreiben? Welche Rolle etwa spielt der Konflikt im Verhältnis zwischen China und dem Westen?

Die Ansicht, daß es sich dabei um eine Auseinandersetzung zwischen China und dem Westen handelt, ist eine naive Vereinfachung. Die Angelegenheit ist viel zu kompliziert für eine derart simple Erklärung. Solche Positionen werden in der Regel von westlichen Akademikern vertreten, die versuchen, das, was sie in ihren politikwissenschaftlichen Lehrbüchern lesen, der Realität aufzudrücken. Es ist ein komplexer Fall, vor allem aber ist es eine reale Krise mit realen Problemen. Die Menschen im Süden haben konkrete Bedürfnisse und Forderungen. Sie haben sich im Sudan immer als Bürger zweiter Klasse gefühlt, weil sie nicht islamisch oder arabischer Herkunft sind und beispielsweise trotzdem in der Schule den Islam studieren und Arabisch lernen mußten. Das ganze System war feindlich gegenüber nichtarabischen und nichtmuslimischen Gruppen im Land. Obwohl das gesamte Gebiet des Südens voll mit Rohstoffen ist, ist es extrem unterentwickelt. Es gibt keine Schulen, keine Krankenhäuser, keine Impfungen für Menschen und Nutztiere. Das hat zu einer weiten Verbreitung von Infektionskrankheiten geführt. Fortschritt und Entwicklung gab es immer nur im Norden. Das war die reale Situation. Aber natürlich existiert trotzdem eine internationale Dimension. Da ist zum einen die strategische Lage des Landes, wie man bei einem Blick auf die Karte sofort sieht. Der Sudan ist von Bedeutung, was Sicherheit und Rohstoffe sowohl im Nahen Osten als auch in Afrika betrifft, insbesondere im Gebiet der Großen Seen.

Hinzu kommt natürlich die seit einigen Jahren besonders starke Orientierung Chinas auf Afrika. Die engen Verbindungen zwischen China und Sudan resultieren aus den schlechten Beziehungen des Landes zum Westen, die wiederum damit zu tun haben, daß sich im Sudan sogenannte terroristische Gruppen und Personen aufhielten – beispielsweise Al-Qaida, Carlos, aber auch somalische, eritreische und ägyptische islamistische Vereinigungen.

So wandte sich die Regierung des Sudan direkt an Peking, das mit der Suche und Förderung von Erdöl beauftragt wurde. Die Vereinigten Staaten und andere internationale Akteure wollen diese Entwicklung, diese starke Position Chinas in Afrika zurückdrängen und selbst in der Region mehr Präsenz zeigen. Deshalb werden jetzt enge Verbindungen vor allem zum Süden, aber durchaus auch zum Norden aufgebaut. Dieser Prozeß begann schon in den 1990er Jahren, als Khartum terroristische Gruppen aus dem Land warf oder auslieferte. Carlos wurde 1994 an Frankreich übergeben, 1996 Osama bin Laden des Sudans verwiesen. Gleichzeitig hat die Regierung westliche Geheimdienste ins Land gelassen, um hier die Wurzeln diverser terroristischer Organisationen aufzuspüren. Es ist also eine vielschichtige Beziehung und nicht einfach ein Wettbewerb zwischen China und den USA. Derzeit hat Washington Interesse am Norden, noch größere Interessen im Süden. China wiederum hatte auf den Norden gesetzt. Aber da nun nach der Abspaltung das Öl im Süden liegt, versucht Peking, auch zu Juba gute Beziehungen aufzubauen.

Wie beurteilen Sie die UN-Missionen in Sudan und Südsudan?

Man muß zwischen den verschiedenen Einsätzen unterscheiden. Teil des Friedensabkommens von 2005 war die Stationierung von UN-Truppen. Dem stimmten beide Seiten zu, woraufhin im Rahmen von UNMIS 10000 Soldaten, die meisten aus Indien und Kenia, ins Land kamen. Ihre Aufgabe war es, das Friedensabkommen zu überwachen. Diesen Einsatz kann ich in vielen Punkten nachvollziehen.

Dann gibt es aber noch die UNAMID-Einheiten, durch die Zivilisten in Darfur geschützt und lokale Polizeikräfte ausgebildet werden sollten. Wenn man diese Mission heute einschätzt, muß man zu dem Schluß kommen, daß sie zur Konfliktprävention nichts beigetragen, die lokale Polizei nicht ausgebildet und das Töten von Menschen nicht verhindert hat. Sie mag einige Flüchtlingslager beschützt haben. Aber nichts von dem, was die Menschen im Sudan von der UNO erwartet hatten, wurde erreicht. Die CPS war sehr zögerlich, sich für UNAMID auszusprechen, nachdem der Einsatz vom Sicherheitsrat beschlossen worden war. Aber die Menschen in Darfur bestanden darauf, daß sie Schutz brauchen. Deshalb hat sich die CPS letztlich dafür ausgesprochen, hoffend, daß die UN-Soldaten die Menschen auch tatsächlich schützen könnten. Aus heutiger Sicht muß man sagen, daß dies nicht gelungen ist.

Interview: Simon Loidl

* Aus: junge Welt, 4. Februar 2012


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