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Soldaten nach Südsudan

Berichte über zahlreiche Tote bei Kämpfen. Vereinte Nationen stocken Blauhelmtruppen auf. Internationale Vermittlungsbemühungen in Juba

Von Simon Loidl *

Knapp eineinhalb Jahre nach der unter Applaus und Mithilfe westlicher Staaten erfolgten Gründung des Südsudan eskalieren die Machtkämpfe in dem ostafrikanischen Land. Während der vergangenen Tage kamen widersprüchliche Berichte über die bewaffneten Auseinandersetzungen aus der Region. Tausende Tote habe es Medien- und Agenturberichten zufolge seit Beginn der Kämpfe Mitte Dezember bereits gegeben, Beobachter vor Ort bestätigen mehrere hundert Todesopfer. Zehntausende Menschen flüchteten in Einrichtungen der Vereinten Nationen. Die Afrikanische Union (AU) und die UNO appellierten an die Konfliktparteien, zu Gesprächen zusammenzukommen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wandte sich in einer Videobotschaft an die Bevölkerung des Landes und versprach Hilfe.

Im Laufe des Donnerstag trafen der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Desalegn und Kenias Präsident Uhuru Kenyatta in Juba zu Vermittlungsgesprächen ein. Laut BBC kam es zu ersten Treffen mit Präsident Salva Kiir. Der EU-Sonderbeauftragte Alexander Rondos sollte ebenfalls am Donnerstag in Südsudan ankommen, und auch China kündigte die Entsendung eines Vermittlers an.

Am Dienstag hatte der UN-Sicherheitsrat beschlossen, weitere Soldaten in das Krisenland zu schicken. Die bislang 7 000 Blauhelme sollen auf 11 500 aufgestockt werden. Zudem sollen zu den derzeit etwa 900 UNO-Polizisten mehr als 400 weitere hinzukommen. Begleitet wurde die Ankündigung der militärischen Ausweitung der UN-Mission durch Berichte über Massengräber. Die UN-Hochkommissarin Navi Pillay sagte am Dienstag, daß in der Stadt Bentiu im Bundesstaat Unity ein Massengrab entdeckt worden sei. Zudem habe es Berichte über zwei weitere in Juba gegeben, so Pillay. Einen Tag später wurde dies von der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) selbst dementiert. Man untersuche entsprechende Berichte, könne aber die Existenz von Massengräbern nicht bestätigten, hieß es seitens der UNMISS.

Im Fokus der diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung der Kämpfe stehen Südsudans Präsident Kiir und dessen langjähriger Rivale und ehemaliger Stellvertreter Riek Machar. Am Donnerstag berichtete die Onlinezeitung Sudan Tribune, daß Machar zu Gesprächen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba bereit sei. Demnach hat der im Juli dieses Jahres zusammen mit anderen ehemaligen Regierungsmitgliedern abgesetzte Machar eine Liste von Mitgliedern für eine Verhandlungsdelegation zusammengestellt.

Mehrere Personen auf dieser Liste – allesamt frühere Funktionäre der regierenden ehemaligen Befreiungsbewegung Sudan People’s Liberation Movement (SPLM) – sitzen allerdings derzeit im Gefängnis. Dies illustriert den Kern des nun eskalierten Konflikts. Kiir versucht seit 2011, seine Machtposition zu zementieren, und hat sich im Laufe des vergangenen Jahres seiner größten Rivalen entledigt. Diese werfen ihm Korruption und Machtmißbrauch vor. Zudem sei er unfähig, die strukturellen Probleme des Landes zu lösen.

Die schlechte wirtschaftliche Situation im Südsudan, die eine der Hauptursachen für die bewaffneten Konflikte ist, dürfte sich unterdessen weiter verschärfen. Bereits am Dienstag sagte der Minister für Öl, Bergbau und Industrie, Stephen Dhieu Dau, daß aufgrund der Kämpfe die Ölproduktion stark eingeschränkt sei. Demnach fiel die Förderquote um etwa 45 000 Barrel pro Tag auf 200 000.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. Dezember 2013

Resolution 2132 (2013) des UN-Sicherheitsrats

Einstimmig verabschiedet am 24. Dezember 2013



Gescheiterter Staat

Kämpfe im Südsudan

Von Simon Loidl **


Als der Südsudan im Juli 2011 nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg und Abspaltungsprozeß gegründet wurde, skizzierten sezessionskritische Beobachter genau das Szenario, das nun eingetreten ist. Die Bevölkerung des jungen Staates leidet an einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation, und dem Land drohen weitere langwierige und vor allem gewalttätige Auseinandersetzungen.

Vor der Sezession herrschten in der Region keineswegs paradiesische Zustände. Doch wurden bis 2011 interne südsudanesische Konflikte angesichts des gemeinsamen Feindbilds Khartum zurückgestellt. Die Tinte auf den Gründungsdokumenten des Südsudan war kaum trocken, als die Auseinandersetzungen um Posten und Machtpositionen innerhalb der neu entstehenden staatlichen Strukturen ausbrachen. Dies geschah in einem Land, in dem in weiten Teilen grundlegende Infrastruktur inexistent ist – was nicht zuletzt auf die jahrzehntelange Vernachlässigung der Region durch die sudanesische Regierung zurückgeht. Zudem waren aufgrund des Bürgerkrieges bereits große Mengen an Waffen im Umlauf. Die diversen, in den Grenzregionen zu Uganda oder zur Demokratischen Republik Kongo operierenden Rebellengruppen trugen ihrerseits zur Militarisierung des Lebens ganzer Generationen bei.

Die Antwort der UN auf die neuen Kämpfe ist die Entsendung weiterer Soldaten und Polizisten. Dabei haben Beobachter bereits in der Vergangenheit kritisiert, daß militärische Einsätze in der Region lediglich zu weiterer Militarisierung beigetragen haben. Dies gilt auch für die Konfliktherde im Sudan. Die Lage in dem von Präsident Omar Al-Baschir regierten Norden hat sich seit der Spaltung des Landes ebenfalls in vielerlei Hinsicht zum Negativen entwickelt. Der Streit zwischen den beiden neuen Nachbarn um die Aufteilung der Ölgewinne ist immer noch nicht vollständig gelöst. Der daraus resultierende zeitweise Stillstand der Förderung des Rohstoffs hat auch Khartum in die Krise gestürzt. Zu den Konflikten in Darfur oder Kordofan traten soziale Proteste im ganzen Land, auf die Al-Baschir mit Repression antwortete.

In vielen Analysen zur Lage im Südsudan wird die ethnische Dimension des Konflikts unterstrichen. Während Salva Kiir der Bevölkerungsgruppe der Dinka angehört, ist Exvizepräsident Riek Machar ein Nuer. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von der Gefahr eines »ethnisch motivierten Bürgerkriegs«, dessen Verhinderung die Bundesrepublik »nach Kräften« unterstützen würde. Durch die gebetsmühlenartige Betonung der ethnischen Konfliktlinien gerät aus dem Blick, daß derartige Differenzierungen in der Regel nur in ökonomischen Krisensituationen politisch instrumentalisiert werden können. Die Auseinandersetzungen in Südsudan sind vielschichtige Machtkämpfe in einem Staat, der nach seiner vom Westen unterstützten Sezession von westlicher Unterstützung abhängig ist. Daß die Hauptakteure unterschiedlichen ethnischen Gruppen zugerechnet werden, ist nur ein Nebenaspekt.

** Aus: junge Welt, Freitag, 27. Dezember 2013 (Kommentar)


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