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Südsudan in der Krise

Machtkämpfe in Regierungspartei. Neue Auseinandersetzungen mit dem Sudan

Von Simon Loidl *

Zwei Jahre nach der Erlangung seiner Unabhängigkeit ist der Südsudan von stabilen politischen Verhältnissen nach wie vor weit entfernt. Am Dienstag hat Präsident Salva Kiir sämtliche Minister und deren Stellvertreter entlassen und angekündigt, daß es künftig weniger Ministerien geben werde. Am Mittwoch fuhren Medienberichten zufolge Polizeieinheiten und Soldaten vor Regierungsgebäuden in der Hauptstadt Juba auf, während die Bevölkerung via Rundfunk zur Ruhe aufgerufen wurde.

Hintergrund der Entlassungen sind Machtkämpfe innerhalb der ehemaligen Befreiungsbewegung und jetzigen Regierungspartei Sudanesische Volksbefreiungsbewegung (SPLM). Kritiker werfen dem Präsidenten vor, keine Lösungen für die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu haben. Neben bewaffneten Konflikten mit Rebellengruppen in mehreren Teilen des Landes machen Juba vor allem die Streitigkeiten mit dem Sudan zu schaffen. Der ungelöste Grenz- und Ölkonflikt ließ die Staatseinnahmen einbrechen.

Die Entlassung der Minister dient Kiir dazu, von den akuten Problemen abzulenken und um Kritiker in den eigenen Reihen loszuwerden. Seine beiden langjährigen Konkurrenten innerhalb der Partei, Vizepräsident Riek Machar und der SPLM-Generalsekretär Pagan Amum, entließ Kiir ebenfalls. Machar hatte sich zuletzt öffentlich für einen Wechsel an der Spitze des Landes ausgesprochen. Gegen Amum wurden Medienberichten zufolge Ermittlungen, unter anderem wegen »Insubordination« und »Unterminierung der Einheit der Partei«, eingeleitet. Der Generalsekretär hatte bisher seit der Abspaltung des Südsudan im Juli 2011 die Verhandlungen mit dem Sudan geleitet.

Diese waren zuletzt wieder an einem Tiefpunkt angelangt. Im Juni hatte der Sudan angekündigt, die Ölpipelines binnen 60 Tagen zu schließen. Als Grund dafür nannte die Regierung in Khartum, daß der südliche Nachbar Rebellengruppen unterstütze, die in den Grenzregionen zwischen Sudan und Südsudan operieren. Daraufhin kündigte der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende südsudanesische Ölminister Stephen Dhieu Dau am vergangenen Wochenende an, daß sein Land bereits Ende Juli die Ölförderung einstellen werde. Er begründete dies damit, daß man der Schließung der Pipelines durch Khartum zuvorkommen müsse um Schäden zu vermeiden.

Erst im Frühjahr war die Ölförderung nach monatelangem Stillstand wieder aufgenommen worden. Intensive diplomatische Bemühungen seitens der Afrikanischen Union (AU) hatten zuvor die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern über die Höhe der Zahlungen begleitet, die Juba für die Verwendung der Infrastruktur der Nordens zu leisten hat. Seit der Abspaltung des Südens liegt eine großer Teil der Ölfelder in dem neuen Staat, der geförderte Rohstoff wird aber weiterhin über den im Sudan liegenden Hafen Port Sudan am Roten Meer zum Weiterverkauf abtransportiert. Die nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg weiter verfeindeten neuen Nachbarn sind somit beim Vertrieb des für beide Volkswirtschaften essentiellen Rohstoffes aufeinander angewiesen.

Hinzu kommen Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Ländern. Der sudanesische Teil der Grenzregion zum Süden ist einer von mehreren Schauplätzen, an denen Khartum sich seit Jahren im Kampf gegen aufständische Gruppen befindet. Khartum wirft der in den Bundesstaaten Blauer Nil und Südkordofan aktiven SPLM-Nord vor, im Interesse des Südens zu agieren und von diesem auch finanziert zu werden. Juba weist diese Anschuldigungen zurück und wirft seinem nördlichen Nachbarn seinerseits vor, Aufständische im Südsudan zu unterstützen.

Unterdessen haben sich China und die AU in die aktuelle Auseinandersetzung eingeschaltet. Die Volksrepublik, bereits vor der Spaltung wichtigster Verbündeter des Sudan, hat während der vergangenen beiden Jahre auch zum neuen Staat gute Verbindungen aufgebaut. Peking ist in die Ölgeschäfte beider Staaten involviert und hat im Norden wie im Süden in die Förderungsinfrastruktur investiert. Am Freitag meldete die Sudan Tribune, daß der chinesische Sonderbeauftragte für Afrika, Zhong Jianhua, bei Gesprächen mit Sudans Präsident Omar Al-Baschir in Khartum gefordert habe, die Frist bis zur Schließung der Pipelines um 15 Tage zu verlängern. Für die AU verhandelt Südafrikas ehemaliger Präsident Thabo Mbeki mit Al-Baschir. Er verlangte ebenfalls mehr Zeit, um die gegenseitigen Vorwürfe beider Länder zu untersuchen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 27. Juli 2013


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