Exotisches Angebot
Südafrikas Tourismusbranche ist Eckpfeiler der Volkswirtschaft. Regierung beschwört panafrikanische Zusammenarbeit. Doch es dominieren die großen Ketten
Von Christian Selz, Durban *
Das Ziel ist engagiert, der Zeitplan zeigt, wie realistisch er in näherer Zukunft ist: Bis 2063, so ließ die Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Nkosazana Dlamini-Zuma, am vergangenen Freitag im südafrikanischen Durban wissen, soll Afrika das weltweit »bevorzugte Reiseziel« werden. Die frühere Ehefrau des Präsidenten der Republik Südafrika (RSA), Jacob Zuma, die die Kontinentalorganisation seit 2012 leitet, sprach während eines Ministertreffens am Vortag der »Tourism Indaba«. Die Reisemesse, die am Montag zu Ende ging, hat sich in den 20 Jahren, die Südafrika nun frei ist, zur wichtigsten in Afrika und zu einer der Pflichtveranstaltungen der globalen Tourismusindustrie gemausert. Während die RSA mit 9,6 Millionen Urlaubsgästen im Jahr 2012 bereits kräftig im internationalen Fremdenverkehr mitmischt, müsse für die Ziele des Kontinents allerdings noch »viel getan werden«, so Dlamini-Zuma.
Die Hindernisse sind vielfältig. »Wir müssen an vereinfachten Visa und Gemeinschaftsvisa arbeiten«, sprach die AU-Vorsitzende einen der wunden Punkte an. Die Kooperation zwischen den afrikanischen Staaten ist zwar beliebtes Thema von Bankettreden, lahmt in der Realität aber noch immer. Neben teils massiven Unterschieden in der wirtschaftlichen Entwicklung selbst benachbarter Staaten und machtpolitischen Eigeninteressen liegt das auch an fehlenden Budgets. Nahezu sämtliche Regionalverbände auf dem Kontinent – die AU eingeschlossen – hängen bei der Finanzierung ihrer Kooperationsprojekte von ausländischen Geldgebern ab. Zwar haben die europäischen und amerikanischen Förderfonds kein vordergründiges Interesse an der fortwährenden Zersplitterung des Kontinents, doch sie folgen den politischen Rahmenvorstellungen ihrer Staaten. Das wird spätestens dort problematisch, wo zu integrierende Länder westlichen Wirtschaftssanktionen ausgesetzt sind, beispielsweise Simbabwe. Eine unabhängige Entwicklung, das liegt auf der Hand, ist am monetären Tropf nicht möglich.
Positive Einzelbeispiele schließt das nicht aus. Die RSA dürfte – auch wenn das in Durban kaum angesprochen wurde – bisher sogar von der Schwäche der anderen profitiert haben. Tourismusminister Marthinus van Schalkwyk verwies in seiner Rede zur offiziellen Eröffnungsfeier nicht ohne Stolz auf die mehr als vervierfachten Einreisezahlen, die das Land am Kap 2013 gegenüber 1994 vorweisen konnte. Im Vergleich zu Zahlen von 1990, dem Jahr in dem Nelson Mandela freigelassen wurde, bedeuten die rund 15 Millionen Einreisen im vergangenen Jahr gar eine Verfünfzehnfachung. Das klingt imposant, ist aber vor dem Hintergrund eines damals international geächteten, rassistischen Regimes und der anschließenden vereinnahmten »Demokratiedividende« auch nicht weiter verwunderlich. Die bemerkenswerten Zahlen hat Südafrika später geschrieben, ab 2001, als die Urlauberströme nach kurzer Stagnation auch ohne geschichtliche Meilensteine wieder anschwollen, durchschnittlich um sieben Prozent pro Jahr. Auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat sich der Anteil des Reisesektors in Südafrika inzwischen fast verdoppelt, 610000 Menschen – 4,6 Prozent der Beschäftigten – sind in der Branche tätig. Der Arbeitsplatzschaffung, das betonen die Offiziellen des südafrikanischen Fremdenverkehrsamtes immer wieder, gelte das Hauptaugenmerk der Regierung, selbstverständlich auch im Reisesektor. 250000 zusätzliche Jobs sollen hier bis 2020 entstehen.
Das ist die gute Geschichte, für die sich noch zahlreiche Statistiken mehr finden ließen. Ausführlich widmete van Schalkwyk sich in seiner Rede den Umsatz- und Gewinnzuwächsen, die die großen Hotelketten im Land für das vergangene Jahr vermeldeten, kein Wert unter zehn Prozent war darunter. Ein Satz ging dabei fast unter: »Viele Herausforderungen bleiben, nicht zuletzt die der Transformation und der beschleunigten Arbeitsplatzschaffung«, sagte der Minister fast beiläufig. Die Hürden zum Aufbau kleiner Unternehmen im Tourismus sind heute zwar niedrig, doch der Wettbewerb ist brutal. »Das Geschäft ist noch immer in den Händen der großen Ketten«, verlautet es selbst aus der Tourismusbehörde. Grund dafür sei nicht etwa ein Mangel an politischem Willen, sondern strukturelle Barrieren, wie der Zugang zu Krediten und fehlende berufliche Qualifikation.
Die Antwort der Regierung liegt in Förderprogrammen für touristische Kleinunternehmen und dem Bestreben, das Image der gesamten Region aufzubessern. Von einer »wahrhaftig panafrikanischen Indaba« träumte van Schalkwyk in Durban bereits. Und Dlamini-Zuma unterstrich die Bedeutung des innerafrikanischen Tourismus. Die 300 Millionen Menschen starke Mittelschicht müsse dazu gebracht werden, ihr Geld auf dem Kontinent auszugeben, forderte sie. Das wird noch dauern und der wahre Erfolg für die afrikanischen Länder dürfte letztendlich auch davon abhängen, wem die Urlauber – egal woher sie kommen – ihr Geld dann überweisen.
* Aus: junge welt, Freitag 16. Mai 2014
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