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"Die Arbeiter kämpfen um ihren Lohn und ihre Würde"

Seit über vier Monaten streiken rund 90000 Bergleute der drei größten Platinförderer Südafrikas. Ein Gespräch mit Makhanya Siphamandlan *


Makhanya Siphamandla ist Bergarbeiter, Mitglied der »Association of Mineworkers and Construction Union« (AMCU) und einer der Streikführer der Belegschaft von Anglo American Platinum (Amplats) im südafrikanischen Rustenburg.


Die Bergarbeiter der drei größten Platinbergwerke in Südafrika sind jetzt seit über vier Monaten im Streik. Was fordern Sie?

Wir haben immer noch die selbe Forderung wie 2012: Wir wollen einen Monatslohn in Höhe von 12500 Rand (850 Euro). Dahinter werden wir nicht zurückweichen, denn das wäre Verrat an unseren Brüdern, die 2012 getötet wurden. Wenn die Unternehmen anfangen, über 12500 Rand zu sprechen, werden wir ihnen zuhören.

2012 gab es das Massaker von Marikana, bei dem 34 Bergleute von der Polizei erschossen wurden. Was hat sich seitdem geändert?

Nichts. Die Regierung hat nie die Verantwortung übernommen. Statt dessen ist die Polizei gekommen, hat Arbeiter verhaftet und sie beschuldigt, für den Tod ihrer eigenen Genossen verantwortlich zu sein.

Hat sich denn bei der Entohnung etwas getan?

Da hat sich auch nichts verändert. Der Einstiegslohn liegt bei 4500 Rand (300 Euro), maximal verdient ein Bohrarbeiter 5500 Rand (370 Euro). Die Arbeiter leben noch immer in Slums oder wohnen in den Arbeiter-Hostels der Konzerne. Dort können ihre Familien sie nicht besuchen; teilweise teilen sich acht Männer ein Zimmer. Diejenigen, die in Wellblechhütten leben, haben weder fließendes Wasser noch Strom. Für die Arbeit gibt es keine Gefahrenzulagen – nichts. Nur 1000 Rand (70 Euro) Wohngeld, wenn man nicht in einem Hostel der Konzerne untergekommen ist..

Kann man dafür eine Wohnung mieten?

Nein, das kann man nicht. Eine vernünftige Wohnung bekommt man bei uns in Rustenburg ab 3000 Rand (200 Euro)

Geht es bei dem Streik nur um die 12 500 Rand Monatslohn?

Momentan fordern wir nur diese Summe, ohne auf Arbeitsbedingungen oder Zulagen einzugehen. Wir streiken für die Löhne – bei den Arbeitsbedingungen muß die Regierung die Verantwortung übernehmen.

Bei den Parlamentswahlen im Mai hat die neue Partei »Economic Freedom Fighters«, die die Verstaatlichung der Bergbaubetriebe fordert, aus dem Stand 6,4 Prozent der Stimmen gewonnen. In der Provinz Nordwest, in der Marikana und Rustenburg liegen, ist sie mit 13,2 Prozent sogar stärkste Oppositionspartei geworden. Spielt die Frage nach den Besitzverhältnissen unter den Arbeitern eine Rolle?

Ja, das ist für die Arbeiter ein Thema. Die Regierungspartei, der African National Congress (ANC) besticht die Menschen nur. Sie gibt den Großmüttern Sozialrente, also wählen die Leute den ANC, damit sie soziale Leistungen bekommen. Selbst wenn der ANC uns jetzt diese 12500 Rand zugestehen sollte, heißt das nicht, daß sie keine Kapitalisten-Partei ist. Letztlich muß es einen Regierungswechsel geben.

Immer wieder wird in den südafrikanischen Medien über Rivalitäten zwischen den Bergarbeitergewerkschaften berichtet. Worum geht es da?

Die dem ANC nahestehende National Union of Mineworkers (NUM) ist zu weich, sie hat Anteile an den Bergbaukonzernen und benimmt sich wie die Unternehmer. Man kann nicht gleichzeitig Arbeitervertreter und Kapital sein. Das hat den Streik verursacht. Denn hätte die NUM die Interessen der Arbeiter vertreten, müßten wir heute nicht über den Streik reden. Das andere Problem ist, daß wir in einem Unternehmen drei oder vier Gewerkschaften haben, dadurch sind wir gespalten und treten nicht einheitlich auf.

Inzwischen haben Hilfsorganisationen eingegriffen, die über Fälle von ernster Unterernährung in Bergarbeiterfamilien berichten, deren Ernährer streiken. Wie lange glauben Sie, daß die AMCU den Streik unter diesen Bedingungen noch aufrechterhalten kann?

An dem Punkt, an dem wir jetzt sind, würden die Arbeiter unendlich weiter streiken. Sie sind nicht stark wegen der AMCU – sie sind einfach nur ehrlich zu sich selbst. Wir können nicht fünf Monate streiken und mit leeren Händen nach Hause gehen. Die Arbeiter kämpfen nicht nur um ihren Lohn, sondern auch um ihre Würde. Ob die AMCU also da ist oder nicht – sie werden etwas in der Hand haben, wenn sie die Arbeit wieder aufnehmen. Daran zweifelt niemand.

Interview: Christian Selz

* Aus: junge Welt, Mittwoch 11. Juni 2014


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