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Friede den Minen

Südafrikas Bergarbeiter ringen Platinkonzernen beachtliches Tarifergebnis ab

Von Christian Selz *

Der Streik in den südafrikanischen Platinbergwerken ist beendet. »Wir werden die Arbeit wieder aufnehmen«, erklärte Joseph Mathunjwa, Präsident der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU), am Montag nachmittag in der Provinzhauptstadt Rustenburg im Nordwesten des Landes. Zuvor hatten dort Zehntausende Bergarbeiter im Royal-Bafokeng-Stadion der Gewerkschaft ihr Mandat gegeben. Begonnen hatte der historische Ausstand von insgesamt 70000 Arbeitern der drei Platingiganten Anglo American Platinum (Amplats), Impala Platinum und Lonmin exakt fünf Monate zuvor, am 23. Januar.

Mit »kein Hungern mehr für uns und unsere Familien« faßte der Amplats-Bergarbeiter Andy Matwa das ersehnte Streikende gegenüber dem Onlinemagazin Daily Maverick zusammen. Im vergangenen Monat hatten Hilfsorganisationen bereits von Fällen ernster Unterernährung in den Familien der Kumpel berichtet, die ohne Streikgeld auf sich allein gestellt waren. Auf 10,7 Milliarden südafrikanische Rand (umgerechnet 745 Millionen Euro) beläuft sich der Lohnverlust der Arbeiter den Unternehmen zufolge. Die eigenen Ausfälle beziffert die Konzernseite auf umgerechnet 1,67 Milliarden Euro – was trotz der während des Streiks etwas geringeren Nebenkosten den Spielraum der Unternehmen umreißt, der sich bisher in Form üppiger Saläre und Dividenden an die Spitzenmanager und Aktionäre zeigte.

»Die Welt hat euch als ungebildet bezeichnet, aber ihr habt der ganzen Welt eine Lektion erteilt«, rief nun Mathunjwa den jubelnden Bergarbeitern zu. »Der Platinsektor wird nie wieder sein, wie er war. Was andere Gewerkschaften über viele Jahre nicht geschafft haben, habt ihr in fünf Monaten erreicht«, rechnete der AMCU-Präsident mit der einst vorherrschenden Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) ab, die nach dem Massaker von Marikana 2012 die Mehrheit an den Platinminen verloren hatte. Der jetzige Abschluß, so Mathunjwa weiter, sei ein Sieg für die Arbeiter im ganzen Land.

Auch wenn die Forderung der Bergarbeiter nach einem Einstiegsgehalt von umgerechnet 870 Euro nicht erreicht wurde, ist das neue Tarifabkommen, dessen genaue Details erst im Laufe der Woche bekanntgegeben werden sollen, in der Tat bedeutend. Um knapp 70 Euro sollen sich die Löhne der schlechter bezahlten Arbeiter für jedes der nächsten drei Jahre erhöhen – bei Einstiegsgehältern von bisher 313 Euro ist das ein erster wichtiger Schritt aus der Armut. Mit Zuschüssen würde ein Teil der Arbeiter Mathunjwa zufolge sogar bereits vor Ablauf des dreijährigen Tarifvertrags auf die ursprünglich geforderten 870 Euro kommen. Ab dieser Marke steigen die Löhne im ersten Jahr um acht und in den darauffolgenden zwei Jahren um 7,5 Prozent.

Die strittige Frage ist allerdings, wie sicher die Arbeitsplätze an den Minen noch sind. Mathunjwa umschiffte den Punkt der Arbeitsplatzgarantien in seiner Rustenburger Rede. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte er aber, die Unternehmen hätten sich verpflichtet, in den kommenden drei Jahren keine Kumpel zu entlassen. Ein Konzerninsider bezeichnete das gegenüber dem Finanzmarktportal Fin24 jedoch als »nicht wahr«. Lonmin-Sprecherin Sue Vey gab an, eine Klausel, die Entlassungen ausschließen würde, sei ihr nicht bekannt. Der wichtigste Schutz für die Bergarbeiter dürfte allerdings ohnehin eher in ihrer demonstrierten Kampfkraft und Einigkeit als in den Paragraphen des Tarifabkommens liegen. Denn Massenentlassungen würden unweigerlich zu neuerlichen Streiks führen. Der Versuch der Konzerne, die Arbeiterschaft mit Streikbrechern und Tarifangeboten per SMS direkt an die Kumpel zu spalten, ist in den vergangenen Wochen klar gescheitert. Der Tarifabschluß ist aus Konzernsicht daher das Eingeständnis der Niederlage, eine weitere Konfrontation werden die Platinriesen zumindest auf Sicht vermeiden wollen.

Für Südafrikas Arbeiter könnte der Ruf der Kumpel nach einem »Lohn zum Leben« dagegen ein Wachrütteln bedeuten. Ebenfalls am Montag entschied ein Johannesburger Gericht noch, daß die AMCU nicht an den von der NUM dominierten Goldminen streiken darf. Wirklich aufhalten wird das Urteil die verarmten Bergarbeiter aber auch dort kaum. Und zwischen Teilen der AMCU und der radikalen Metallarbeitergewerkschaft NUMSA gibt es längst Gespräche über mögliche Kooperationen. Südafrikas Arbeiter, das ist in Rustenburg klar geworden, haben ihre Stärke erkannt.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 25. Juni 2014


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