Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Klassenkampf am Kap

Mit der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA schließt Südafrikas Gewerkschaftsbund seine größte Teilgewerkschaft aus. Die Führung des regierenden ANC vergießt Krokodilstränen

Von Christian Selz *

Südafrikas Gewerkschaftsbund Congress of South African Trade Unions (COSATU) steht vor der Spaltung. Am gestrigen Montag teilten sieben der 21 Einzelgewerkschaften in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Johannesburg mit, ihre Mandate im Zentralkomitee des Gewerkschaftsbundes bis auf weiteres ruhen zu lassen. Über das weitere Vorgehen sollen nun die jeweiligen Mitglieder bei Sonderkongressen entscheiden. Die Gewerkschaften reagierten damit auf den Ausschluss der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA aus COSATU, den das Zentralkomitee des Gewerkschaftsbundes bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag beschlossen hatte.

Die Eskalation des gewerkschaftsinternen Konflikts ist das Resultat eines langen politischen Flügelkampfes innerhalb der Regierungsallianz aus COSATU, African National Congress (ANC) und South African Communist Party (SACP). Trotz seiner Position als mitgliederstärkste Organisation konnte der ursprünglich sozialistische Gewerkschaftsbund seine wichtigsten Forderungen innerhalb der Koalition nie durchsetzen. Seit dem Ende der Apartheid 1994 regiert der ANC Südafrika mit einer teils sozialdemokratischen, teils offen neoliberalen Wirtschaftspolitik. Deren jüngste programmatische Fortschreibung im Anfang 2013 vorgestellten National Development Plan (NDP) führte schließlich zum Bruch. Die NUMSA, Südafrikas größte Einzelgewerkschaft, geißelte den bis 2030 reichenden Entwicklungsplan im Rahmen eines Sonderkongresses im Dezember 2013 als »Programm unseres Klassenfeinds«. Die Delegierten entzogen dem ANC bei den Parlamentswahlen im Mai die Unterstützung und forderten Staats- und ANC-Präsident Jacob Zuma per Resolution zum Rücktritt auf. Seine Regierung bezeichneten sie als »durchdrungen von Korruption, Patronage und Vetternwirtschaft«. Möglicherweise nicht zu Unrecht: Am Montag berichtete die Nachrichtenagentur AFP über Parlamentsdokumente denen zufolge die südafrikanische Polizei wegen des umgerechnet fast 20 Millionen Euro teuren Ausbaus von Zumas privatem Landsitz Ermittlungen aufgenommen hat.

Die NUMSA hat den unverhohlenen Machtkampf innerhalb der Organisation dennoch zumindest vorerst verloren. Mit 33 zu 24 setzte sich der Zuma loyale Teil des COSATU durch und schloss seine schärfsten internen Kritiker damit auch aus der Regierungsallianz aus. Südafrikas nach eigenem Bekunden »revolutionäre« Regierung, die sich offen in den Konflikt innerhalb des Gewerkschaftsbundes eingemischt hatte, vollzog damit die Spaltung der Arbeiterschaft des Landes. »Wir müssen ihnen dafür Anerkennung zollen, dass sie geschafft haben, woran das Apartheid-Regime gescheitert ist: eine Föderation zu zerstören, die Schild und Speer der Arbeiter und Bewusstsein der Nation war«, übte sich NUMSA-Generalsekretär Irvin Jim mit Blick auf die ANC-Führung am frühen Samstag morgen in Galgenhumor. Der von Jim namentlich erwähnte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe vergoss am Montag dagegen Krokodilstränen und nannte den NUMSA-Ausschluss »enttäuschend und tragisch«.

Ganz aufgegeben haben die an den Rand gedrängten Gewerkschaften den Kampf um ihren Dachverband jedoch noch nicht. Der Generalsekretär der Gewerkschaft der Lebensmittelindustrie FAWU, Katishi Masemola, kündigte am Montag bereits an, einen Sondergewerkschaftstag einberufen zu wollen, auf dem die COSATU-Mitglieder den Ausschluss der NUMSA rückgängig machen könnten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 11. November 2014


Zurück zur Südafrika-Seite

Zur Südafrika-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur "Gewerkschafts"-Seite

Zur "Gewerkschafts"-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage