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Allianz fürs Plakat

Südafrikas größte Oppositionspartei gibt sich im Wahlkampf ein schwarzes Gesicht. Für den ANC ist sie dennoch keine Gefahr

Von Christian Selz *

Sie sei kein »Joiner«, hatte Mamphela Ramphele vor der Gründung ihrer »politischen Plattform« Agang South Africa im Februar 2013 immer wieder erklärt. Niemand, der einfach nur teilnimmt, wollte die einstige Antiapartheid-Aktivistin, Ärztin und spätere Weltbankdirektorin sein. Seit der vergangenen Woche ist das Geschichte. Am Dienstag stellte die Democratic Alliance (DA) Ramphele auf einer Pressekonferenz als ihre Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr vor. Südafrikas größte Oppositionspartei kämpft seit Jahren gegen ihr Image als Partei der Weißen, Ramphele ist da ein gutes Aushängeschild.

Ungeteilt war die Freude im Lager der Regierungsgegner allerdings nicht. Noch am Sonntag vor einer Woche hatte Agang SA seine Anhänger aufgefordert, »Spekulationen« der Sunday Times zu »ignorieren«, daß ihre »Anführerin auf der Kandidatenliste der Democratic Alliance« sei. Die Mitteilung ist inzwischen nicht mehr auf der Internetseite der neuen Partei zu finden, dafür lassen Mitglieder im Internet ihren Frust raus. Von Verrat und Lüge ist die Rede. Ob der Schachzug der DA-Führung daher tatsächlich wie erhofft zusätzliche schwarze, mit dem regierenden African National Congress (ANC) unzufriedene Wähler bringt, ist zweifelhaft.

Im Gegenteil: Das Kooptieren der nach dem Ende der Apartheid zur Multimillionärin aufgestiegenen Geschäftsfrau Ramphele sorgt selbst in der neoliberalen DA allenfalls für gedämpfte Begeisterung. Mehrere südafrikanische Zeitungen berichteten am Sonntag gar von einem Ultimatum an Ramphele, der DA auch formal beizutreten, was diese bisher öffentlich ablehnte. Es geht um Posten. Der Schritt, Ramphele zur Präsidentschaftskandidatin zu machen, gilt als Idee von Parteichefin Helen Zille. Die 62jährige hat bereits mehrmals angedeutet, bei den nächsten internen Wahlen 2015 nicht erneut für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Der Gedanke liegt nahe, daß sie Ramphele als Nachfolgerin an der Parteispitze installieren könnte, was vor allem die jungen, meist schwarzen Karrierepolitiker der hauptsächlich in der relativ wohlhabenden Provinz Westkap und in den Metropolen starken Partei zu Abwehrreaktionen provoziert.

»Wenn sie für irgendeine andere Position kandidieren will, wird sie sich wie üblich dem (innerparteilichen) Wettbewerb stellen müssen«, ging Khume Ramulifho, Vorstandsmitglied der Region Gauteng-Süd rund um Johannesburg, gegenüber dem Mail & Guardian vom Freitag sofort präventiv auf Distanz. Einen weiteren Insider zitierte die Wochenzeitung mit der Prognose: »Ich glaube nicht, daß sie intern die breite Unterstützung erhalten wird, die sie zu bekommen glaubt«. Und ein anonymer DA-Politiker, angeblich mit besten Chancen auf einen Sitz im neuen Parlament, sagte gegenüber dem Blatt offen, man wisse schließlich, daß Ramphele »die Wahl nicht gewinnen wird«.

Der für seine markigen Attacken auf politische Gegner bekannte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe dürfte also nicht allzu falsch liegen, wenn er Agang SA als »Totgeburt« abkanzelt und Ramphele zur »gemieteten Schwarzen« und »gemieteten Führerin« herabwürdigt. Bezeichnend war dabei vor allem der Rahmen seiner Tiraden: ein Treffen des »Black Business Council« am Dienstag in Johannesburg. Mantashe und die ANC-Führung müssen sich vor DA und Ramphele auch deshalb nicht fürchten, weil sie inzwischen neben ihrer Verankerung als führende Kraft des Befreiungskampfes auch auf eine geballte Wirtschaftsmacht bauen können. Neben großen Konzernen setzt die sich auch aus mit Staatsaufträgen reich gewordenen Unternehmern zusammen, die die Partei bei Banketten und Golfturnieren großzügig mit Spenden für den Wahlkampf bedenken.

Die DA hat dagegen auch mit ihrem gewerkschaftsfeindlichen Programm niedriger Einstiegslöhne und größerer »Arbeitsmarktflexibilität« kaum Chancen auf größere Unterstützung oder stärkere Stimmzuwächse. Daran wird auch das Gesicht Rampheles auf den Wahlplakaten wenig ändern. Wandeln wird sich für die Mehrheit der Südafrikaner nur der Grund der Unwählbarkeit der Partei: Das rassische Stigma verblaßt, die Klassenfrage bleibt.

* Aus: junge Welt, Montag, 3. Februar 2014


Aushängeschild

Mamphela Ramphele will Südafrikas ANC herausfordern.

Von Martin Ling **


Der Überraschungscoup ist gelungen: Die »weiße« Demokratische Allianz (DA) tritt bei den südafrikanischen Präsidentschaftswahlen 2014 mit einer schwarzen Kandidatin an: Mamphela Ramphele. Die selbstbewusste 67-Jährige ist als Alibikandidatin sicher so wenig zu gebrauchen wie vom politischen Gegner, dem mächtigen Afrikanischen Nationalkongress (ANC), zu diskreditieren.

Rampheles Vita spricht eindeutig dagegen: Sie war mit Steve Biko verheiratet und teilt dessen Grundüberzeugungen. Biko, der sich für die »Bewegung Schwarzes Bewusstsein« einsetzte und damit den Apartheidstaat herausforderte, wurde 1977 in Polizeigewahrsam zu Tode geprügelt. Längst vor ihrer Partnerschaft mit Biko wurde ihr politisches Bewusstsein geweckt, als sie 14-jährig 1961 miterlebte, wie ihre Schwester von der Schule flog, weil sie gegen die Feier zur Gründung der Republik Südafrika demonstriert hatte.

Dass die Anti-Apartheid-Kämpferin bei der Demokratischen Allianz gelandet ist, hat handfeste Gründe. Helen Zille, die deutschstämmige weiße Galionsfigur der DA und ehemalige Bürgermeisterin von Kapstadt, kennt Ramphele seit Jahrzehnten. Sie hatte als Journalistin enthüllt, dass Biko totgeprügelt wurde und damit die amtliche Version, dass er an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben sei, als Lüge entlarvt.

Neben dieser persönlichen Verbindung dürften die studierte Medizinerin Ramphele auch parteipolitische Erfahrungen zum Zusammengehen mit der DA bewogen haben. Im Juni 2013 hatte sie aus Enttäuschung über den ANC die Agang-Partei gegründet. Die aber rangiert bisher im südafrikanischen Parteienspektrum »unter ferner liefen«. Nun soll sie in der DA aufgehen, der größten Oppositionspartei. Deren immenser Abstand zum ANC dürfte sich mit Ramphele als Spitzenkandidatin zwar verringern, denn der Frust vieler schwarzer Südafrikaner über die unvermindert prekäre soziale Lage der Massen trotz 20 Jahren ANC-Regierung ist groß. Doch mehr als ein Achtungserfolg wird wohl auch für die ehemalige Weltbankmanagerin nicht drin sein.

** Aus: neues deutschland, Montag, 3. Februar 2014


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