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Unvollständige Einheit

Südafrikas Gewerkschaftsbund nutzt 1. Mai zu Wahlaufruf für ANC. Metallarbeitergewerkschaft außen vor

Von Christian Selz, Polokwane *

Rund 25000 Anhänger der Regierungsallianz aus dem African National Congress (ANC), dem Gewerkschaftsbund COSATU und der South African Communist Party (SACP) haben am gestrigen Donnerstag im südafrikanischen Polokwane zusammen den 1. Mai begangen. Sechs Tage vor den Parlamentswahlen nutzte der ANC die zentrale Maifeiertagskundgebung gleichzeitig für seine Hauptwahlkampfveranstaltung in der nördlichsten Provinz Limpopo, deren Hauptstadt Polokwane ist. Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma nannte den 1. Mai einen Aktionstag, um hart erkämpfte Arbeiterrechte zu verteidigen, die Südafrika vor 1994 nicht hatte und für die »viele den ultimativen Preis zahlen mußten – ihr Leben«. SACP-Präsident Blade Nzimande forderte insbesondere Allianzpartner COSATU zu Einigkeit und Geschlossenheit auf, »um in der nächsten Woche einen überragenden Sieg zu erringen«.

Seit den frühen Morgenstunden hatten Tausende singend und tanzend vor dem zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 errichteten Peter-Mokaba-Stadion gewartet. Der ANC-Slogan »Zusammen bringen wir Südafrika voran« war auf unzähligen T-Shirts mit dem Konterfei Zumas zu sehen. Stark vertreten waren vor allem die Gewerkschaften des öffentlichen Diensts, allen voran NEHAWU (Gesundheit) und SADTU (Lehrer). Mitglieder der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA waren dagegen nicht zu erkennen. Diese ist zwar die größte Einzelorganisation innerhalb von COSATU, hat aber dem ANC für die Wahlen ihre Unterstützung versagt. »COSATU muß seine Reihen schließen«, forderte Nzimande – und traf damit den Nerv seines Publikums. »Die Fortschritte, die wir gemacht haben, konnten wir innerhalb der Allianz machen«, bekräftigte Gift Makhubele, ein Lehrer aus dem Dorf Chavani, im Gespräch mit jW. Gegen vier Uhr morgens sei er aufgestanden und per Bus die 200 Kilometer nach Polokwane gefahren, »um den unbeendeten Kampf zu unterstützen, durch den Südafrika immer noch geht«.

Gewerkschaftspräsident Sidumo Dlamini dürfte daher größtenteils gehört werden, wenn er die COSATU-Mitglieder aufruft, »dem ANC die Stimme und das Mandat zu geben, unseren Kampf voranzubringen.« Während Dlamini vor allem die seit Wochen gebetsmühlenartig wiederholten Zahlen zu gebauten Häusern für arme Familien sowie Wasser- und Stromanschlüssen aufzählte, und Zumas Slogan der »guten Geschichte« bemühte, die die Allianz »zu erzählen« habe, ging Geschichtslehrer Makhubele verstärkt auf die Probleme Südafrikas ein. »Es ist keine Gleichheit, wenn man nicht die nötigen Mittel für seine Rechte hat. Viele unserer Schulen sind noch immer nicht ausreichend ausgestattet, und das hat Auswirkungen auf die Bildungschancen unserer Kinder.«

Dlamini forderte eine neue Gehaltspolitik, einen Wechsel der Wirtschaftspolitik des Landes und ein Verbot von Zeitarbeit. »Arbeitsverleiher«, schmetterte Dlamini von der Bühne, seien »blutsaugende Vampire, die vom Blut der Arbeiter leben«. Die Forderung, die auch Nzimande bekräftigte, stellt COSATU seit Jahren, findet dafür allerdings keine Mehrheit in der Regierungsallianz. »Wir sind nicht froh mit den Teilen des Nationalen Entwicklungsplans, die Arbeiterrechte unterdrücken wollen, aber diese Kontroverse war erwartbar«, sagte Makhubele dazu auf der Tribüne. Der 40jährige, gleichzeitig Mitglied in ANC, SACP und der COSATU-Gewerkschaft SADTU, betonte aber auch, daß »wir in der Allianz zumindest Einfluß haben«.

Präsident Zuma, den Dlamini mit den Worten »wir in COSATU lieben dich« ans Rednerpult bat, attackierte – nach einer euphorischen Begrüßung von den Rängen – kaum verblümt die radikalen Gewerkschaften des Landes, die ihm zufolge »nicht in Anarchie abrutschen« sollten. »Ihr müßt das Interesse des Landes immer an erste Stelle setzen, endlose Streiks sind nicht im Interesse der Wirtschaft und daher auch nicht im Interesse der Arbeiter«, befand Zuma, während das Publikum eisern schwieg. Für den ANC und seine Partner war der Maifeiertag kein Tag der Arbeiterklasse, sondern vor allem eine Demonstration der Einheit vor den Wahlen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 2. Mai 2014


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