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Kostenloses Trinkwasser für Townships?

Südafrika: Juristischer Erfolg der Bewohner von Phiri / Grundversorgung von 50 Litern steht Jedem zu

Von Thomas Nitz *

Der Streit um die Trinkwasserversorgung in Südafrika ist beispielhaft: Viele Wähler gerade in den Townships sind enttäuscht, dass es die ANC-Regierung auch nach 14 Jahren kaum geschafft hat, ihr Versprechen einzulösen, die Lebensbedingungen spürbar zu verbessern und alle Südafrikaner am erfolgreichen neoliberalen Wirtschaftskurs teilhaben zu lassen.

Trotz begrenzter Wasserressourcen und dem steigenden Bedarf der wachsenden Wirtschaft gehört Südafrika zu den wenigen Staaten, die eine ausreichende Versorgung mit dem lebensnotwendigen Nass als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen haben. Bis 2010 sollen alle Haushalte einen eigenen Wasseranschluss haben, versprach Präsident Thabo Mbeki.

Tatsächlich wurden seit der Abschaffung der Apartheid enorme Anstrengungen unternommen. Südafrika hat das Millenniumsziel der Halbierung der Anzahl der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser erreicht: Mussten 1994 noch nahezu 40 Prozent der Bevölkerung ohne Wasseranschluss oder Zugang zu einer öffentlichen Trinkwasserpumpe auskommen, sind es inzwischen nach Angaben der UNESCO noch 19 Prozent.

Allerdings haben klamme Staatskassen die Regierung veranlasst, die Wasserversorgung zum Teil in private Hände zu geben. Als Folge stiegen die Preise drastisch. In Johannesburg gingen sie nach dem Einstieg des französischen Konzerns Suez-Lyonnaise um mehr als die Hälfte in die Höhe. Vor allem in den Townships explodierten die Preise, da neu installierte Leitungsnetze kostendeckend refinanziert werden sollen. Dagegen existiert die Infrastruktur in den ehemals rein weißen Wohngebieten. So kommt es, dass die Wasserpreise in der wohlhabenden Stadt Richards Bay nur ein Drittel dessen betragen, was die Einwohner umliegender Townships zahlen müssen.

Die Ärmsten in den Townships der Städte und ein großer Teil der Landbevölkerung können das Trinkwasser kaum bezahlen. Wegen nicht beglichener Rechnungen wurden ganze Gemeinden vom Netz genommen. Im Jahr 2000 kam es in der Provinz Kwazulu-Natal zu eine der größten Choleraepidemien in der Geschichte Südafrikas mit 114 000 Krankheitsfällen und 265 Toten. Die Menschen hatten sich, nachdem die Trinkwasserversorgung eingestellt worden war, aus verunreinigten Flüssen und alten Brunnen versorgt.

Im ganzen Land formierte sich daraufhin Widerstand gegen die Kommerzialisierung der Wasserversorgung und anderer Grundbedürfnisse. Wie schon zu Zeiten der Apartheid gab es Zahlungsboykotte und andere Protestaktionen. In Reaktion darauf entwickelte die Regierung das Programm »Free Basic Water«. Demnach stehen jedem Haushalt kostenlos 6000 Liter Wasser pro Monat zu. Dies entspricht etwa 25 Liter pro Person und Tag, also der Hälfte des von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Mindestbedarfs. Das Programm soll über den einkalkulierten Mehrverbrauch von Haushalten mit höherem Verbrauch finanziert werden.

Einen wichtigen Teilerfolg im Streit um das Grundrecht auf Wasser haben kürzlich die Bewohner von Phiri, einem Teil des Townships von Soweto, erzielt. Dort hatte die von Suez dominierte Johannesburg Water Company (JOWCO) im Jahr 2005 Zähler installiert, die die Versorgung unterbrechen, wenn das Wasser nicht im voraus bezahlt wird. Die Antwort darauf waren wütender Protest und Zerstörung der Zähler. Einer Sammelklage von Anwohnern gegen die Stadt Johannesburg gab das Oberste Gericht nun in zwei Hauptpunkten statt: Richter Moroa Tsoka befand, dass jeder Einwohner das Recht auf eine kostenlose Basisversorgung von täglich 50 Litern Wasser hat und dass die zwangsweise Einführung der Prepaid-Systeme in den Armenvierteln verfassungswidrig ist. Die Stadt erwägt, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juni 2008


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