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Jacob Zuma in Bedrängnis

Südafrikas Präsident mit Protesten und Weltwirtschaftskrise konfrontiert

Von Hans-Georg Schleicher *

Noch ist Südafrikas Präsident Jacob Zuma keine 100 Tage im Amt, da wird er mit unerwarteten innenpolitischen Herausforderungen konfrontiert. Nach spontanen sozialen Unruhen der vergangenen Wochen hat nunmehr eine Streikwelle das Land erfasst.

Die Bilder erinnerten an Zeiten des Kampfes gegen die Apartheid oder an die fremdenfeindlichen Ausschreitungen im Vorjahr -- Demonstrationen, gewalttätige Proteste und Plünderungen, Häuser gingen in Flammen auf, die Polizei setzte Gummigeschosse und Tränengas ein. Es gab mehr als 200 Verhaftungen. Die Unruhen der vergangenen Wochen entstanden spontan und breiteten sich vor allem in Mpumalanga, in Johannesburg, KwaZulu-Natal und am Westkap aus. Es ging um die Lebensbedingungen von mehr als einer Million Menschen, die in primitivsten Hütten ohne Wasser und Strom vegetieren.

Die Streiks, die seit Montag den Bus- und Zugverkehr, die Müllabfuhr und andere Dienstleistungen lahm legen, waren dagegen angekündigt. 150 000 Streikende fordern 15 Prozent mehr Lohn, die angebotenen 11,5 Prozent wurden abgelehnt. Anfang des Monats hatten Bauarbeiter in Stadien der Fußballweltmeisterschaft 2010 Lohnerhöhungen von zwölf Prozent erzwungen. Auch bei den Streiks gibt es Auseinandersetzungen mit der Polizei. Weitere Arbeitskämpfe werden erwartet.

Altbischof Desmond Tutu kritisierte die Zustände im Land und machte Gier und Korruption dafür verantwortlich. Er gibt die Meinung vieler Südafrikaner wieder, die sich um die Früchte des Befreiungskampfes betrogen fühlen und erleben, dass eine kleine Schicht neuer Reicher davon profitiert.

Diese Stimmung überrascht nicht, Jacob Zuma selbst hat diesen kritischen Geist geweckt. In der politischen Auseinandersetzung mit Thabo Mbeki ging er auf die sozialen Probleme der Menschen ein und versprach Verbesserungen. Armutsbekämpfung hatte Priorität im Wahlkampf. Jetzt nehmen die Südafrikaner Zuma beim Wort, ihre Erwartungshaltung ist groß. Sie wollen nicht nur Gesten -- wie demonstrative Besuche in Townships --, sie wollen konkrete Taten sehen, und das sofort. Der Gewerkschaftsdachverband COSATU, mit dessen Unterstützung Zuma an die Macht kam, ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass Forderungen gestellt werden.

Die ANC-Regierung reagierte auf die Unruhen widersprüchlich. Sie machte klar, dass Ausschreitungen nicht geduldet werden, ging aber auf die Anliegen der Protestierer ein. Ursachen für die Unzufriedenheit wurden zunächst vor allem bei regionalen und lokalen Behörden gesucht -- wohl nicht zu Unrecht. Der zuständige Minister Sicelo Shiceka versprach die Bestrafung korrupter Beamter und sicherte Unterstützung der Zentralregierung zu. Bis Ende des Jahres sollen neue kommunale Strategien entwickelt werden. Das entspricht dem herkömmlichen Vorgehen bei solchen Ereignissen. Nun aber ist die nationale Vorsitzende des ANC, Baleka Mbethe, weiter gegangen. In einer ungewöhnlich offenen Rede hinterfragte sie die Volksnähe der eigenen Regierungspartei. »Welche Rolle spielt der ANC bei diesen Protesten, was sagt der ANC? Wo ist seine Führungsrolle angesichts dieser protestierenden Menschen?«

Präsident Zuma selbst betonte, Demokratie schließe das Recht zum Protest ein, dieser müsse allerdings gewaltfrei bleiben. Er fühle Sympathie mit den Sorgen der Menschen, weil er aus eigener Erfahrung wisse, was es bedeutet, im Schmutz zu leben, ohne Wasser, Sanitäranlagen und Strom. Auch er sieht die Verantwortung nicht allein bei den kommunalen Behörden und versprach Unterstützung durch die Zentralregierung, um die sozialen Bedingungen zu verbessern.

Ob mit diesen Erklärungen der Unmut beseitigt werden kann, ist ungewiss. Die Protestierer wollen Veränderungen sehen. Und das dürfte angesichts des Ausmaßes der Probleme, aber auch wegen der Krise, die Südafrika erreicht hat, kurzfristig schwierig sein. Die vor Wochen erfolgte Ankündigung, 500 000 neue Jobs bis Jahresende zu schaffen, wurde bereits korrigiert.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Juli 2009


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