ANC-Rebellen wollen neue Partei gründen
Wie verhält sich Thabo Mbeki?
Von Hans-Georg Schleicher *
Südafrikas Parteienlandschaft könnte sich verändern. Bisher dominiert der Afrikanische
Nationalkongress (ANC) im Parlament mit Zweidrittelmehrheit, die Opposition ist auf einige kleinere
Parteien reduziert. Nun erscheint eine neue Kraft.
Für die Wahlen im April 2009 erwächst dem ANC Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Nach dem
Rücktritt Thabo Mbekis als Staatspräsident haben einige seiner Anhänger den ANC verlassen.
Mosiuoa Lekota, ehemals ANC-Nationalvorsitzender und Verteidigungsminister, und der frühere
Ministerpräsident der Provinz Gauteng, Mbhazima Shilowa, kündigten für den 2. November einen
Nationalen Konvent und die Gründung einer neuen Partei an. Schwarze Unternehmer sagten
finanzielle Unterstützung zu.
Eine Differenzierung sowohl in der regierenden Dreierallianz aus ANC, dem Gewerkschaftsverband
COSATU und der Kommunistischer Partei (SACP) als auch innerhalb des ANC selbst ist seit langem
zu beobachten. Dieser Prozess überlagerte sich mit dem jüngsten Führungskampf zwischen Thabo
Mbeki und Jacob Zuma, den Zuma für sich entschied. In der fast 100-jährigen Geschichte des ANC
waren Abspaltungsversuche allerdings wenig erfolgreich. Auch diesmal ist noch unklar, ob da
lediglich eine neue Ein-Prozent-Partei entsteht, deren es bereits mehrere gibt.
Südafrikas Medien spekulieren, dass bis zu 50 der knapp 300 ANC-Parlamentarier die Partei
verlassen könnten. Der ANC kann die auf seiner Liste gewählten Abgeordneten jedoch ersetzen.
Bisher hält sich die Zahl landesweit prominenter Dissidenten denn auch in Grenzen. In den
Provinzen Westkap und Ostkap erklärten jedoch einige regionale und lokale Funktionäre bereits
ihren Austritt aus dem ANC. Auf teils gut besuchten Veranstaltungen erhielten Lekota und Shilowa
Unterstützung. Am Westkap ist eine Kampagne mit demonstrativen Parteiaustritten im Gange.
Mbhazima Shilowa als Cheforganisator der neuen politischen Bewegung will jetzt landesweit Büros
einrichten. Er erwartet Zulauf von ehemaligen Ministern aus der zentralen und aus
Provinzregierungen, die bisher gezögert haben, sich öffentlich zu erklären. Einige wie Essop Pahad,
ehemals Minister im Präsidentenbüro, und Jabu Moleketi, zuletzt stellvertretender Finanzminister,
bekräftigten auf Nachfrage ihre Loyalität zum ANC. Thabo Mbeki selbst hat sich bisher nicht
geäußert. Er ist noch mit der Vermittlung in Simbabwe beschäftigt, die er auf Wunsch seines
Nachfolgers im Präsidentenamt, Kgalema Motlanthe, fortsetzt. Erwartet wird, dass Mbeki dem ANC
zu sehr verbunden ist, als dass er einer neuen Partei öffentliche Unterstützung gewähren könnte.
Nach den Worten Steven Friedmans, Direktor des Zentrums für Demokratiestudien, ist die ANCFührung
um Jacob Zuma bemüht, Mbeki und seine Anhänger im ANC zu halten. Entsprechende
Äußerungen aus der Führung bestätigen das.
Der Politologe Shadreck Gutto schließt jedoch nicht aus, dass eine neue Partei mit Unterstützung
bisheriger Anhänger des ANC, aber auch anderer Parteien eine wichtige Oppositionskraft darstellen
könnte, selbst wenn die Mehrheit des ANC vorläufig nicht gefährdet scheint. Es könnten aber neue
Koalitionsmöglichkeiten entstehen.
Andererseits ist die Treue zum ANC in der Bevölkerung tief verwurzelt. Shilowa selbst hatte in seiner
Heimatprovinz Limpopo Schwierigkeiten, seinen Parteiaustritt überzeugend zu erklären. Die
Spannungen innerhalb der traditionsreichen einstigen Befreiungsbewegung gehen über persönliche
Eifersüchteleien und Führungsstreit weit hinaus. Die neue politische Kraft soll eine »moderne
sozialdemokratische Partei« werden, sie müsse ideologische Bindungen und Belastungen abwerfen,
die »überholte Allianz« (mit COSATU und SACP) beenden und die »Kontrolle durch die
Kommunistische Partei« bekämpfen, fordern ihre Initiatoren. ANC-Aktivisten fürchten, dass
Traditionen und Werte ihrer Organisation, vor allem deren soziale Ziele, in Frage gestellt werden.
Auch deshalb kann eine neue Partei nicht automatisch mit dem Beitritt von Anhängern Thabo
Mbekis rechnen. Ihr Gewicht bei den Wahlen 2009 könnte nicht zuletzt von der Haltung des
COSATU mit seinen fast zwei Millionen Mitgliedern abhängen.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Oktober 2008
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