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Gierige Eliten

Trotz Streik-Ende zeichnen sich in Südafrikas Goldminen neue Arbeitskämpfe ab

Von Christian Selz *

Der Streik in Südafrikas Goldminen ist vorbei. Vernünftig, gütig und schnell haben sich Gewerkschaften und Konzerne nach nicht einmal einer Woche Arbeitsausstand geeinigt. So sehen es zumindest Wirtschaftszeitungen und Chefetagen. »Wir sind erfreut darüber, daß der Streik schnell aufgelöst und friedlich abgehalten wurde«, zitierte die südafrikanische Nachrichtenagentur SAPA am Montag den Vorstandsvorsitzenden von Gold Fields Südafrika, Kgabo Moabelo. Die staatstragende National Union of Mineworkers (NUM), über den Gewerkschaftsdachverband COSATU Teil der Regierungsallianz mit dem African National Congress (ANC) und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), hatte tags zuvor verkündet, die Kumpel hätten für eine Lohnerhöhung von 7,5 bis acht Prozent gestimmt. Doch der harmonische Schein trügt, die wirklichen Streiks stehen erst noch bevor.

Über zwei Jahre soll der neue Vertrag laufen, der den Bergarbeitern auch 2014 eine ähnliche Aufstockung ihrer Gehälter verspricht. Das schafft Planungssicherheit und Kontinuität – für gewinnträchtige Rohstoffausbeutung auf Konzernseite und für fortgesetzte Armut in den Familien der Arbeiter. Denn im Vergleich zu den ursprünglichen Forderungen der NUM nach einer 60prozentigen Anhebung der Einstiegsgehälter von derzeit 5000 Südafrikanischen Rand (380 Euro) ist der rasche Abschluß für viele Kumpel enttäuschend. »Wir werden dieses Angebot nicht anfassen«, stellte der Präsident der radikaleren Association for Mineworkers and Construction Union (AMCU), Joseph Mathunjwa, am Montag klar. Am Vortag hatten die AMCU-Mitglieder auf einer Versammlung im Bergbauort Carletonville, westlich von Johannesburg, einen Mindestlohn von umgerechnet 950 Euro verlangt und ihrer Führung andernfalls das Mandat erteilt, einen Streik auszurufen. Das wäre der Beginn einer zweiten Revolution unter den organisierten Bergarbeitern Südafrikas.

Zwar vertritt die AMCU derzeit nur 19 Prozent der 107000 Bergarbeiter in den Goldminen, doch dieser Anteil könnte rasch wachsen. Auch im Platingürtel um Rustenburg und Marikana, wo Polizisten im August 2012 an einem Tag 34 streikende Kumpel erschossen, hatte die Gewerkschaft vor Jahresfrist kaum Mitglieder. Ihr Zulauf speiste sich aus Armut, Perspektivlosigkeit und der engen Verknüpfung zwischen alteingesessenen Gewerkschaftern, Staatsführung und Konzernen. Mit der Zustimmung zu Lohnerhöhungen knapp unterhalb der Inflationsrate für Lebensmittel manifestiert die NUM nun abermals die prekäre Lage ihrer Mitglieder, während Größen der Regierungsallianz an der Rohstoffausbeutung gut verdienen. War es beim Platingiganten Lonmin in Marikana vor einem Jahr der heutige ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa als Großinvestor, so gerät nun die Parteivorsitzende Baleka Mbete in die Kritik.

Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC erwägt einem Bericht des südafrikanischen Business Day zufolge Ermittlungen gegen Gold Fields. Grundlage ist ein von dem an der Wall Street notierten Konzern selbst in Auftrag gegebener und anschließend versteckter Bericht, wonach die Ausgabe von Unternehmensanteilen im Wert von umgerechnet 1,9 Millionen Euro an Mbete den Tatbestand der Korruption erfüllt habe. Gold Fields behauptet, nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben und schweigt ansonsten. Mbete gibt immerhin zu, Anteile erhalten zu haben, sieht darin aber nichts Anrüchiges. »Ich bin zusammen mit einigen anderen schwarzen Südafrikanern eingeladen worden teilzuhaben und habe mich dafür entschieden«, ließ sie wissen. Das mag arrogant und dreist klingen, ist aber für Südafrikas politische Elite unter Präsident Jacob Zuma schlicht charakteristisch. An den Platinminen führte die Wut gegen die Diskrepanz von revolutionärer Rhetorik der einstigen Befreiungsbewegung und ihrem tatsächlichem Regierungshandeln zum Aufstand. An den Goldminen gibt es derzeit kaum Indizien, die eine Wiederholung ausschließen würden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 11. September 2013


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