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Maulkorb für Malema

Südafrikanischer ANC erteilt Präsidenten der Jugendliga Redeverbot

Von Christian Selz, Kapstadt *

Das Bild vom Zauberlehrling ist für das Verhältnis von Südafrikas Präsident Jacob Zuma und dessen einstigem politischen Ziehsohn Julius Malema oft gebraucht worden. Zuma, gleichzeitig Chef des regierenden African National Congress (ANC), wird den Geist des ANC-Jugendligapräsidenten Malema, den er einst als bissigen, radikalen Vorkämpfer aufgebaut hatte, nicht mehr los. Doch ein Zaubermeister, der dem Treiben Einhalt gebietet, ist weit und breit nicht in Sicht. Als Malema – der seit November vergangenen Jahres durch alle ANC-internen Instanzen gegen seinen Parteiausschluß ankämpft – Zuma in der Woche vor Ostern vorwarf, eine Diktatur aufgebaut zu haben, brachte er das Faß erneut zum Überlaufen. Die Disziplinarkommission der Partei sprach eine weitere Suspendierung des Rebellen mit sofortiger Wirkung und öffentlichem Redeverbot auch in seiner Funktion als Jugendligapräsident aus. Aufhalten kann den ambitionierten Jungpolitiker aber auch das nicht.

Am Karfreitag präsentierte sich Malema bei zwei Gottesdiensten als getriebener Prophet. »Wir wollen, daß die Kirche für uns betet, denn die, die einst unsere Freunde waren, haben sich nicht nur gegen uns gestellt, sondern planen unseren Tod«, verkündete er laut Regionalzeitung Daily Dispatch bei diesen Auftritten. Doch Malema, das muß bei so viel kirchlich-politischer Realsatire gesagt sein, ist nicht Jesus. Er hat sich zum Vorkämpfer einer ANC-Fraktion aufgeschwungen, die Zuma aus dem Amt jagen und die Parteispitze übernehmen will, deren Zusammensetzung aber nach wie vor unklar ist. Es geht dabei, darin sind sich die Beobachter in Südafrika einig, nicht um politische Strömungen oder gar die Befreiung der Armen, sondern schlicht um Macht und Einfluß. Die revolutionäre Rhetorik eines Malema, der ohne handfeste Konzepte die Verstaatlichung von Bergbaubetrieben fordert, aber in seiner Amtszeit als Jugendligapräsident nicht ein einziges Programm zur Behebung der horrenden Jugendarbeitslosigkeit vorangebracht hat, ist da nichts als Mittel zum Zweck. Als er es damit übertrieb, zum Sturz der Regierung im Nachbarland Botsuana aufrief und den ANC mit gezielten Provokationen intern immer weiter spaltete, suspendierte ihn die Partei.

Malema reagierte mit heftigen Attacken, machte seinen neuen Erzfeind Zuma mehrfach öffentlich lächerlich und setzte in der Vorwoche ausgerechnet bei einer Veranstaltung zum 100. Geburtstag des ANC zum Frontalangriff an: »Unter Präsident Zuma haben wir gesehen, wie die Jugend traumatisiert und aus ihrem eigenen Zuhause geworfen wurde, unter Präsident Zuma haben wir gesehen, daß Demokratie durch Diktatur ersetzt wurde.« Doch so harsch das klingt, Malemas Schauspiel ist eine Wiederholung. Den ersten Akt hatte Zuma noch stillschweigend genossen. 2007 sägte der da bereits einflußreiche, aber längst nicht so mächtige Jugendligapräsident mit seinen Haßtiraden am Stuhl des damaligen Präsidenten Thabo Mbeki. Zuma nahm diese Unterstützung dankend an und stieg zum Partei- und schließlich Staatspräsidenten auf. Der Preis war hoch, insbesondere für die einstige Befreiungsbewegung ANC, deren politische Kultur immer weiter zu internen Grabenkämpfen verkommt, bei denen die siegreichen Parteisoldaten im Amt von den Verpflichtungen ihrer Allianzen gelähmt werden.

Ob Zuma sich zumindest von einem seiner Widersacher auf längere Zeit befreien kann, könnte sich am Donnerstag entscheiden. Zeitgleich zum 70. Geburtstag des Präsidenten entscheidet die Disziplinarkommission in letzter Instanz über Malemas erste Parteisuspendierung. Gegen die zweite aus der Vorwoche hat der böse Geist allerdings bereits Klage vor einem ordentlichen Gericht angekündigt, obwohl er einen solchen Schritt aus Liebe zu »seinem« ANC vorher stets ausgeschlossen hatte.

* Aus: junge Welt, 10. April 2012


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