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Südafrikas Landreform kommt nur schleppend voran

Mercia Andrews: politischer Willen mangelt, 1 Million Farmbewohner vertrieben *


Seit dem Ende der Apartheid und dem Beginn der demokratischen Transformation Südafrikas ist die Landreform eine der dringlichsten politischen Vorhaben. Mercia Andrews ist nationale Direktorin der südafrikanischen Landrechtsbewegung »Trust for Community Outreach and Education (TCOE)« mit Sitz in Kapstadt. TCOE wurde 1983 gegründet. Mit Mercia Andrews sprach Andreas Bohne, SODI-Projektmanager, über den Stand der südafrikanischen Landreform und die Aufgaben der Landrechtsbewegungen. Das Interview erschien im "Neuen Deutschland".

ND: Was ist der Kern der Aktivitäten der südafrikanischen Landrechtsbewegung »Trust for Community Outreach and Education (TCOE)?

Andrews: TCOE ist eine nationale Nichtregierungsorganisation (NRO), die in verschiedenen Regionen und Provinzen tätig ist. Überwiegend arbeiten wir mit Kleinbauern, ländlichen Gemeinschaften und Fischern zusammen. Unser Ziel ist es, die Selbstorganisation der ländlichen Bevölkerung zu stärken, damit sie einen besseren Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen erhält und so ihre Lebensgrundlage verbessern kann.

Seit der Überwindung der Apartheid in Südafrika steht die Landreform auf der politischen Tagesordnung. Was enthält sie?

Die Landreform enthält drei Elemente: die Rückgabe des während der Apartheid unrechtmäßig enteigneten Landbesitzes, die Umverteilung von Land an vormals benachteiligte schwarze Südafrikaner und schließlich die Stärkung der Rechte von Landarbeitern und die Regelung von Landbesitzrechten in den ehemaligen »Homelands«.

Was davon wurde bisher erreicht?

Leider erst wenig. In den letzten 15 Jahren wurde weniger als sechs Prozent der landwirtschaftlichen Fläche an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben oder umverteilt. In der Provinz Limpopo zum Beispiel ist noch immer eine große Zahl von Landansprüchen nicht geklärt. Am tragischsten ist jedoch, dass in den letzten 15 Jahren mehr als eine Million Farmarbeiter und Farmbewohner vertrieben wurden – legal und illegal.

Wie ist die gegenwärtige Lage in den ländlichen Gebieten?

Die Armut in den ländlichen Gebieten ist gravierend. Millionen von Menschen sind abhängig von staatlichen Leistungen wie Pensionen oder Kindergeld. Die Arbeitslosigkeit steigt.

Auch für Präsident Jacob Zuma ist die Landreform eine der wichtigsten Prioritäten. Hat er seit dem Beginn seiner Präsidentschaft etwas auf den Weg gebracht?

Bis heute haben wir nicht ein politisches Dokument von seinem Ministerium gesehen. Der Bereich Landreform und ländliche Entwicklung wurde jedoch vom Ministerium für Landwirtschaft abgetrennt. Ich bin der Meinung, dass nicht ausreichend finanzielle Mittel für die Landreform bereitgestellt werden.

Was fordern und erwarten Sie von der Regierung?

Erstens fordern wir von der Regierung eine Zusammenführung der Agrarpolitik und Landreform – diese gehören unmittelbar zusammen, wenn in der Landwirtschaft Arbeitsplätze entstehen sollen. Zweitens bleibt die Frage des Klimawandels. Es ist wichtig, zu untersuchen, inwieweit die Landwirtschaft zum Klimawandel beiträgt. Drittens beobachten wir, dass die Regierung in verschiedenen Landesteilen mit genmodifizierten Pflanzen experimentiert. Die Provinz Eastern Cape ist das achtgrößte Anbaugebiet von genveränderten Samen in der Welt. Wir sind der Meinung, dass der Ernährungssouveränität und der Nutzung lokaler Saaten zum Erhalt einheimischer Saatgutpflanzen eine größere Bedeutung zugeschrieben werden muss.

Wie schätzen Sie die Rolle südafrikanischer Landrechtsbewegungen wie TCOE in der politischen Diskussion ein?

Wir haben eine Menge getan, um uns in politische Debatten einzubringen. Wir wollen die Bedingungen für arme Menschen verbessern. Als Organisation haben wir uns strategisch weiterentwickelt und ein größeres Gewicht auf den Aufbau und den Erhalt von Bewegungen der ländlichen Bevölkerung gelegt. Dadurch können sie sich stärker politisch einbringen, ihre eigenen Bedürfnisse artikulieren und eine eigene politische Kraft bilden. Denn die Regierung kann nicht einfach Organisationen und Bewegungen mit einer großen Anzahl von Menschen ignorieren.

Eine Schwierigkeit – und oftmals ein Argument gegen die Landreform – ist das Fehlen landwirtschaftlichen Wissens und daher eine geringere Produktivität neuer Farmer. Daneben wird aber auch die geringe Unterstützung im Anschluss an die Landvergabe kritisiert. Was können Landrechtsbewegungen wie TCOE tun?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn 80 Prozent aller Neufarmer scheitern. Der Grund ist vorwiegend fehlendes technisches Wissen. Dazu bieten wir als landwirtschaftliche Organisation den Farmern umfangreiche Unterstützung an. So führen wir Trainingsmaßnahmen durch und fördern den Erfahrungsaustausch zwischen Organisationen aus Mosambik und Simbabwe. Mit Saatbänken und der eigenen Züchtung von Samen erhalten Kooperativen und Farmer bessere Startchancen. Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten. So besitzen wir nicht genügend finanzielle und materielle Ressourcen. In diesem Bereich ist auch unsere Regierung viel stärker gefordert.

* Aus: Neues Deutschland, 19. April 2011


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