Europas Krise erreicht Südafrika
Schwächeres Wachstum und vorsichtige Investoren bereiten Probleme
Von Armin Osmanovic, Johannesburg *
Auch die Schwellenländer bekommen
längst die wirtschaftlichen Probleme
im Euroraum und in den USA zu spüren.
In Südafrika sorgt vor allem die
hohe Jugendarbeitslosigkeit für Kopfzerbrechen.
Südafrikas Finanzminister Pravin
Gordhan rechnet angesichts der
europäischen Staatsschuldenkrise
und der anhaltenden Wachstumsschwäche
in den USA mit einer
schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung
im eigenen Land. Das erhoffte
Wachstum des Bruttoinlandsproduktes
(BIP) von vier Prozent
und mehr werde Südafrika in
den nächsten Jahren nicht erreichen,
so der Minister. Südafrikas
Volkswirtschaft wird dieses Jahr
wohl nur um etwas mehr als drei
Prozent wachsen. Damit schwindet
auch die Hoffnung auf eine deutliche
Reduktion der Arbeitslosigkeit.
Die offizielle Arbeitslosenquote in
Afrikas größter Volkswirtschaft
beträgt 25,7 Prozent. Von den jungen
Südafrikanern ist sogar jeder
zweite arbeitslos. In der Regierung
wächst daher die Furcht, dass die
Jugend auf die Straße gehen
könnte und nordafrikanische Verhältnisse
drohen könnten.
Die Misere auf dem Arbeitsmarkt
hat die Textilgewerkschaft
nun zu einer umstrittenen Maßnahme
greifen lassen. Mit den Arbeitgebern
einigte sie sich darauf,
Einstiegslöhne für Berufsanfänger
von bis zu 30 Prozent unter dem
Mindestlohn zuzulassen. Die Gewerkschaften
in Südafrika hatten
Einstiegslöhne oder Lohnsubventionen
für junge Arbeitnehmer als
Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit
immer vehement
abgelehnt, da es zweifelhaft
sei, dass mittels Lohnzurückhaltung
oder gar Lohnverzicht Arbeitsplätze
gesichert oder gar neue
Jobs geschaffen werden können.
Dass sich die Textilgewerkschaft
als erste zu einem solchen
Schritt bereit erklärt hat, verwundert
nicht. Die südafrikanische
Bekleidungsindustrie ist besonders
hart von Arbeitsplatzverlusten betroffen.
Vor allem die billigen Importe
aus China setzen der Branche
zu.
Die Übereinkunft nehmen andere
südafrikanische Arbeitgeberverbände
zum Anlass, auch für ihre
Branchen niedrige Einstiegslöhne
zu fordern. Die ANC-Regierung
plant ihrerseits die Einführung
von Lohnsubventionen für
junge Arbeitnehmer. Bislang ist
diese Maßnahme an den Gewerkschaften
gescheitert. 2012 soll die
Subvention nun aber kommen.
Die Krise im Euroraum hat jedoch
auch positive Auswirkungen.
Seit Ende Juli ist der Außenwert
der südafrikanischen Währung
gegenüber US-Dollar und Euro
deutlich gefallen. Gewerkschaften
und Unternehmen hatten lange
über den starken Rand geklagt, der
Ausfuhren verteuerte und gleichzeitig
Importe verbilligte, was Arbeitsplätze
in Südafrika kostete.
Der Gewerkschaftsdachverband
COSATU trat deshalb sogar für einen
festen, von der Zentralbank
festgelegten Wechselkurs ein.
Die Schwäche des Rand hat ihre
Ursache in der wachsenden
Angst der Investoren, dass möglicherweise
auch Südafrika seine
Schulden nicht bedienen kann.
Bislang hatte die Kap-Republik wie
viele andere Schwellenländer in
großem Umfang Kapital aus dem
Ausland anziehen können. Denn
Südafrikas Staats- und Unternehmensanleihen
verzinsen sich trotz
mehrerer Zinssenkungen durch
die Notenbank weiterhin deutlich
höher als Anleihen vieler Euroländer
oder der USA. Inzwischen sind
die Investoren aber erheblich vorsichtiger
geworden.
Dabei können sich Südafrikas
makroökonomische Daten international
weiter sehen lassen. Die
Staatsverschuldung ist trotz des
hohen Haushaltsdefizits von derzeit
um die fünf Prozent des BIP
deutlich geringer als in den Problemländern
Europas. Sorge um
Südafrikas Stabilität bereiten denn
auch nicht so sehr die Schulden,
sondern die steigende Massenarbeitslosigkeit
vor allem bei der Jugend.
Ein schwächerer Rand, der
die Exporte fördert, kommt daher
gerade rechtzeitig.
* Aus: neues deutschland, 18. Oktober 2011
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