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Kommunistische Identitätssuche

Südafrikanische KP beginnt ihren 13. Nationalkongreß

Von Christian Selz *

Wir sind nicht hier, um einer starken Lobby-Gruppe zu dienen«, umriß der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), Gwede Mantashe, die Rolle seiner Partei innerhalb der Allianz mit dem regierenden African National Congress (ANC) und dem Gewerkschaftsbund COSATU. Die Genossen dürften sich »nicht zu ANC-Mitgliedern zweiter Klasse« machen lassen, wetterte Mantashe. Das war im Dezember 2009. Bei dem am heutigen Mittwoch in der Industriestadt Richards Bay beginnenden 13. Nationalkongreß der SACP wird Mantashe nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren. Er will sich künftig ganz auf seine Aufgabe als ANC-Generalsekretär konzentrieren. Der Wechsel an der Parteispitze führte dazu, daß vor dem Kongreß einmal mehr Personalthemen die Berichterstattung beherrschen. Dabei geht es für die SACP vor allem ums inhaltliche Überleben.

Die Parteiführung um Mantashe und Nzimande war 2007 angetreten, das »Klassenprojekt von 1996« ein für alle Male zu zerstören – und sie meinten damit den wirtschaftsliberalen Kurs des ANC unter dem privatisierungsfreundlichen Thabo Mbeki. Die SACP suchte ihr Heil im Gegenkandidaten Jacob Zuma, hievte ihn auf den Präsidententhron und übernahm mit eigenen Spitzendelegierten wichtige Regierungfunktionen.

Der Organisationssekretär für den Kongreß, Solly Mapaila, betete der linksliberalen Wochenzeitung Mail & Guardian noch in der vergangenen Woche vor, daß »der Staat im Kapitalismus die größte Konzentration sozialer Macht« repräsentiere und »die Arbeiterklasse um diese Macht streiten und sie nutzen« müsse. Doch sichtbar ist der Machteinfluß nicht. Die Delegierten erhoffen sich eine starke Resolution für ein Verbot von Leiharbeitsagenturen, im Kongreßprogramm stehen Positionen zur Sozialisierung von Banken und zur Stärkung des Staates in der Bergbauindustrie – alles Punkte, die die SACP seit Jahren fordert, deren Umsetzung sie aber trotz ihres Einflusses kaum näher kommt. Während die Partei eine stärkere Transformation der noch immer von der Apartheid geprägten Gesellschaft fordert, steht ihr Nzimande dem Ministerium vor, das zu verantworten hat, daß der Anteil unter den 20- bis 24jährigen Schwarzen, die an einer Hochschule studieren, stagniert.

Natürlich haben diese Übel nicht die Kommunisten allein zu verantworten, doch gegenüber dem wesentlich radikaleren COSATU hat die Partei in den vergangenen Jahren an Boden und politischem Profil verloren – nicht trotz, sondern wegen ihres guten Verhältnisses zum ANC.

Der jüngste ANC-Programmparteitag Ende Juni machte dies abermals deutlich. Während COSATU einen wichtigen Erfolg bei seiner Kampagne gegen staatliche Zuschüsse für die Einstellung arbeitsloser Jugendlicher feiern konnte, die die Gewerkschaften als versteckte Wirtschaftssubventionierung und Gefahr für ältere Arbeiter sehen, fielen die Kommunisten in den Programmdebatten kaum auf.

Die SACP muß sich positionieren, und tut sie es, könnte das durchaus eine Richtungstendenz für den auch im ANC immer stärker befürworteten gesellschaftlichen Umbau hin zu mehr staatlicher Kontrolle und einer schnelleren Landreform bedeuten. Doch die Formulierungen des Kongreßprogramms wirken zu zahm, um wirklich radikale Beschlüsse erwarten zu lassen. Was am Ende zählt, werden daher vor allem Personalien sein, und dabei zeichnet sich schon jetzt ein Hauptgewinner ab: ANC- und Staatspräsident Jacob Zuma. Der wird seinen Getreuen Nzimande aller Voraussicht nach an der SACP-Spitze behalten und Mantashe mit dem Rücktritt vom SACP-Vorsitz aus der Schußlinie seiner ANC-internen Kritiker bringen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 11. Juli 2012


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