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Schwarzes Gold am Kap

Südafrika hat ambitionierte Klimaziele. Wirtschaft auf lange Sicht von Kohle abhängig. ANC verdient kräftig mit

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Südafrikas Energieministerin Elizabeth Dipuo Peters verkündete auf dem Weltklimagipfel in Durban in der vergangenen Woche Verblüffendes: 37 Milliarden Euro wolle das Land in den kommenden 20 Jahren in Atomkraftwerke investieren, um daraus 23 Prozent seines Energiebedarfs zu decken. Darüber hinaus soll der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung auf 48 Prozent angehoben werden. Mehr als Luftschlösser dürften die vollmundigen Versprechen nicht sein, denn die Kaprepublik ist langfristig von ihren reichen Steinkohlevorkommen abhängig. 90 Prozent des südafrikanischen Stroms kommen zur Zeit aus dieser fossilen Quelle – und Peters’ eigene Partei, der regierende African National Congress (ANC), ist dafür verantwortlich, daß sich daran so schnell nichts ändern wird.

Erst im April vergangenen Jahres hatte die Weltbank der südafrikanischen Regierung einen Kredit über umgerechnet 350 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um ein neues, riesiges Kohlekraftwerk zu bauen. Nicht nur Klimaschützer hatten die Kreditvergabe bis zuletzt harsch kritisiert, in Südafrika hatte der Deal auch eine politische Dimension: Der ANC war über seine Investmentgesellschaft Chancellor House an der Firma beteiligt, die vom staatlichen Stromproduzenten Eskom den Auftrag zum Bau der Turbinen bekam. Zwar verkaufte die Regierungspartei ihre Anteile nach Bekanntwerden des Skandals – doch da waren die Aktien bereits beträchtlich gestiegen, bis zu 90 Millionen Euro soll die Partei so verdient haben. Die Regierung habe das Land mit der Verschuldung in die Abhängigkeit der Weltbank getrieben, um sich selbst zu bereichern, kritisierten Analysten damals. Wie unrealistisch Peters’ Pläne sind, mit erneuerbaren Energien CO2-Emissionen zu sparen, müßten die Verhandlungsparteien daher noch wissen. Direkt vor der entscheidenden Sitzung des Vergabekomitees der Weltbank warnte das Finanzministerium der USA seinerzeit noch vor den »Klimafolgen des Projekts und seiner Unvereinbarkeit mit dem Bekenntnis der Weltbank zur ihrer führenden Rolle bei der Minderung des Klimawandels«. Der US-Vertreter enthielt sich daher der Stimme, gleichwohl wissend, daß der Kredit damit bewilligt würde.

Das nördlich der Hauptstadt Pretoria in der Provinz Limpopo errichtete Kraftwerk Medupi soll bereits 2012 ans Netz gehen und wird bei Inbetriebnahme das weltweit drittgrößte sein. Eine weitere solche Megaanlage in der Provinz Mpumalanga ist ebenfalls bereits im Bau. Die Langzeitfolgen liegen auf der Hand: Eskom hat sich allein für Medupi vertraglich verpflichtet, dem Bergbaukonzern Exxaro für die nächsten 40 Jahre jährlich durchschnittlich 14,6 Millionen Tonnen Steinkohle abzunehmen. Nachschubprobleme dürfte Südafrika ohnehin nicht bekommen: Das Land ist der sechstgrößte Kohleförderer der Welt, 92 Prozent des Bedarfs des afrikanischen Kontinents werden aus der Kaprepublik gedeckt. Und die Vorräte reichen bei einem Verbrauch auf heutigem Niveau für die nächsten hundert Jahre. Die wirtschaftliche Bedeutung des schwarzen Goldes ist nicht unerheblich. Diese Minen schaffen 50 000 Arbeitsplätze, die 1,8 Prozent des südafrikanischen Bruttosozialprodukts erwirtschaften.

Umweltministerin Edna Molewa räumte daher auch ein, daß Südafrika »mit seiner energieintensiven, durch fossile Energie angetriebenen Wirtschaft« wesentlich zum globalen Klimawandel beiträgt. Wirtschaftsentwicklungsminister Ephraim Patel verteidigt die neuen Kohlekraftwerke dennoch. Sein Land brauche die Einnahmen aus dem billigen Strom – und die daraus resultierenden Investitionen – um die Förderung regenerativer Energien zu finanzieren. Eine Argumentationslinie, die offensichtlich auch deutsche Geldgeber überzeugt: Die Deutsche Bank, die Hypo-Vereinsbank, die Commerzbank und selbst die Förderbank KfW sind nach ZDF-Recherchen allesamt an der Ausbeutung der südafrikanischen Kohlevorkommen beteiligt.

* Aus: junge Welt, 8. Dezember 2011


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