"Daimler hat den Rassisten Militärfahrzeuge geliefert"
Jetzt bekommt der Konzern die Quittung: Internationale Kampagne zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Ein Gespräch mit Bernd Eichner
Bernd Eichner arbeitet für »medico international« in Frankfurt/M.
Die Nichtregierungsorganisation streitet u. a. für das Menschenrecht auf
den bestmöglichen Zugang zu Gesundheit
Am Mittwoch (14. April) treffen sich in Berlin die Daimler-Aktionäre zu
ihrer jährlichen Hauptversammlung. Parallel dazu startet »medico
international« eine Unterschriftenkampagne zur Unterstützung
südafrikanischer Apartheidopfer in der Auseinandersetzung mit dem
Stuttgarter Autobauer - Motto: »Daimler - Star of Apartheid«. Wie muß
man das verstehen?
Wir werfen der Firma vor, daß sie während der Apartheid in Südafrika
Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen geleistet hat. Daimler
hat das damalige Rassistenregime mit Maschinen und Fahrzeugen für den
Polizei- und Militärapparat ausgerüstet. Das Material wurde zur
Bekämpfung von Aufständen in den Townships und zu
Destabilisierungskriegen in den Nachbarländern eingesetzt. Und das,
obwohl die internationale Staatengemeinschaft den Boykott Südafrikas
beschlossen hatte.
Dieser Boykott wurde von Daimler also planmäßig unterlaufen?
Das Unternehmen redet sich darauf hinaus, sein Engagement in Südafrika
sei Taktik gewesen, um das Apartheidregime zu schwächen. In Wirklichkeit
war es aber so, daß Daimler dadurch Extraprofite machen konnte, weil
sich andere Unternehmen tatsächlich an den Boykott hielten.
Was konkret hat denn Daimler an Südafrika geliefert?
Die Unimogs z. B. - geländegängige Kleinlastwagen -, die für Razzien
gegen Aktivisten in den Townships und gegen Demonstranten gebraucht
wurden. Mit Raketenwerfern ausgerüstet, wurden diese Fahrzeuge auch bei
den zahlreichen Überfällen Südafrikas auf seine Nachbarstaaten eingesetzt.
Ist nicht der Unimog ein eher ziviler Fahrzeugtyp?
So argumentiert Daimler ja auch. Der Trick war aber, daß diese angeblich
zivilen Fahrzeuge schon teilmilitarisiert ausgeliefert wurden: Mit
Sturmgewehr-Halterungen, Dachschießluken, kugelsicheren Reifen und
Tarnbeleuchtung. Erst in Südafrika kam dann die restliche Ausstattung
für Polizei- und Militärzwecke hinzu.
War das nicht ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz? Solche
Lieferungen hätten doch eigentlich von der Bundesregierung genehmigt
werden müssen.
Das sehen wir auch so. Die damals dafür zuständigen Bundesregierungen
waren aber so wirtschaftsfreundlich, daß sie keinen Wert darauf legten,
nachzuforschen. Sie haben Daimler einfach gewähren lassen und beide
Augen zugedrückt.
Was ist denn außer der Unterschriftenkampagne noch gegen Daimler
geplant?
Unsere Kampagne ist zweigleisig. In Deutschland läuft zum einen die
schon erwähnte Unterschriftensammlung, mit der wir auf das Engagement
Daimlers für das damalige Apartheidregime hinweisen wollen. Wir wollen
damit die PR-Kampagne des Unternehmens konterkarieren - es will sich ja
in seiner Eigenschaft als Hauptsponsor der deutschen Nationalelf zur
Fußballweltmeisterschaft in Südafrika mächtig in Szene setzen. Ziel ist,
daß Daimler Verhandlungen mit »Khulumani« über die Zahlung von
Entschädigung an Apartheidopfer aufnimmt. »Khulumani« ist die größte
Apartheid-Opfer-vereinigung in Südafrika.
Das zweite Gleis der Kampagne verläuft in Südafrika selbst. Dort werden
während der Weltmeisterschaft öffentliche Aktionen gegen Daimler
stattfinden. Außerdem klagt »Khulumani« in den USA auf Entschädigung.
Ein New Yorker Gericht hat im April 2009 die Sammelklage gegen Daimler
und vier weitere Konzerne zugelassen.
Daimler ist zudem in der Rüstungsindustrie engagiert. Hat der Konzern
etwa auch Waffen geliefert?
Direkte Waffenlieferungen von Daimler können wir zur Zeit nicht belegen.
Wohl aber die des Düsseldorfer Konzerns Rheinmetall, der während der
Apartheid über Paraguay eine komplette Munitionsfüllanlage an Südafrika
geliefert hat. Rheinmetall wird deswegen ebenfalls von »Khulumani« in
den USA verklagt.
Interview: Peter Wolter
* Aus: junge Welt, 12. April 2010
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