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Kraftprobe in Südafrika

Gewerkschaftsbund stoppt Straßenprivatisierung und festigt Machtposition gegenüber der Regierung

Von Christian Selz, Kapstadt *

Nach dem kurzfristig anberaumten Treffen von führenden Vertretern des Gewerkschaftsbundes COSATU und der Regierungspartei African National Congress (ANC) dauerte es am vergangenen Donnerstag nur wenige Stunden, bis das südafrikanische Verkehrsministerium die von der Arbeiterbewegung gewünschte Nachricht verkündete. Die Einführung eines Mautsystems auf die wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadtprovinz Gauteng wird um einen Monat verschoben. Der ANC, der mit dem Bündnispartner COSATU bei zahlreichen großen Maikundgebungen den »Beitrag der Arbeiter im Befreiungskampf« feierte, kaufte sich damit einen ruhigen Tag der Arbeit. Das Einlenken der ANC-Regierung ist allerdings ein klarer Machtgewinn für die Gewerkschaften, die ihren geplanten Generalstreik wegen des Treffens verschoben, sich demnächst aber gegen ein streikfeindliches neues Arbeitsgesetz wehren müssen und zudem weiter für ein Verbot von Leiharbeit kämpfen. Da ist es dann auch unbedeutend, daß die Verschiebung schon zwei Tage später völlig wertlos erschien.

Eine Bürgerinitiative hatte gleichzeitig gegen die Einführung der Mautgebühren geklagt und am Samstag vor dem obersten Gerichtshof eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt. Das Verkehrsministerium muß nun zusammen mit dem Privatinvestor in einem voraussichtlich langwierigen Gerichtsverfahren erläutern, warum es keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten gibt. Stein des Anstoßes ist der Ausbau von 185 Kilometern bestehender Autobahnstrecke, der durch eine private Mautgesellschaft finanziert werden soll, deren größter Investor ausgerechnet der Pensionsfond für Staatsangestellte ist. Die Gewerkschaften kämpfen gemeinsam mit weiten Teilen der südafrikanischen Bevölkerung dagegen an, weil sie durch die umgerechnet drei Cent pro Kilometer teuren Gebühren einen Verlust an Bewegungsfreiheit, Insolvenzen von Kleinunternehmen und steigende Lebensmittelpreise befürchten. Daß der ANC in einer gemeinsamen Mitteilung mit COSATU nun darauf hinwies, daß die Verschiebung »zum Erörtern alternativer Finanzierungsmechanismen« diene, deutet auf ein Einlenken hin.

Die erfolgreiche Streikandrohung der Gewerkschaften ist ein Zeichen der Stärke in schweren Zeiten. Die Regierung will mit einer Arbeitsmarktreform das Streikrecht ändern und verpflichtende Abstimmungen vor Arbeitskämpfen wiedereinführen sowie Solidaritätsstreiks gänzlich untersagen. Die jahrelange Forderung von COSATU und der ebenfalls in der Regierungsallianz vertretenen Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) nach einem Verbot von Leiharbeit, hat die Regierung unter Präsident Jacob Zuma nach dem vorliegenden Gesetzentwurf dabei ebenfalls erneut ignoriert. Leiharbeiter sollen demnach künftig zwar nur noch für höchstens sechs Monate angestellt werden dürfen, für den Gewerkschaftsbund sind das aber »sechs Monate zu lang«.

COSATU-Sprecher Patrick Craven wies in seinem Statement zum 1. Mai darauf hin, daß inzwischen 30 Prozent der arbeitenden Südafrikaner in prekären Verhältnissen beschäftigt werden. Die Arbeitsmarktstatistiken mit offiziell nahezu unverändert rund 24 Prozent Arbeitslosen widerlegen zudem die Argumente der Leiharbeitsvermittler, Arbeitsplätze zu schaffen. Auch in Südafrika ersetzen sie lediglich Festanstellungen. »Die sind nichts anderes als Menschenhändler, die riesige Profite durch die Vermietung von Arbeitern machen, so als wären wir nicht mehr als Güter, wie Möbel oder Bürobedarf«, wetterte Craven. COSATU hat weitere Proteste angekündigt, der verschobene Generalstreik soll bereits in der zweiten Maiwoche nachgeholt werden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 3. Mai 2012


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