Ein Stern beschweigt seine Vergangenheit
Daimler, Sponsor bei der Fußball-WM, profitierte von der Kumpanei mit Südafrikas Apartheid-Regime
Von Andreas Bohne *
Auch wenn die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika viel Euphorie
hervorgebracht hat – die Erinnerungen an das bis Anfang der 90er Jahre
herrschende Apartheid-Regime und seine Folgen sind immer noch vorhanden.
Der Vorwurf lautet Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen während der
Apartheidzeit. Gerichtet ist die Klage gegen fünf international tätige
Unternehmen, darunter Daimler aus Deutschland. Die Kampagne »The Star of
Apartheid« fordert vom Hauptsponsor der deutschen Nationalmannschaft,
sich seiner Vergangenheit zu stellen.
Eine Vielzahl transnationaler Konzerne profitierte vom südafrikanischen
Apartheid-Regime. 2002 reichte die Opferorganisation Khulumani Support
Group deshalb gegen 23 von ihnen Klage vor einem US-amerikanischen
Gericht ein. Unter den Beklagten waren Banken ebenso wie Öl- und
Rüstungsunternehmen. Ihnen wird Beihilfe zu schweren
Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. 2009 nahm das Gericht die Klage
gegen fünf Unternehmen an, die daraufhin in Berufung gingen. Mit einer
Entscheidung darüber wird in nächster Zeit gerechnet.
Neben den US-amerikanischen Unternehmen Ford, General Motors und IBM
sind auch die deutschen Konzerne Daimler und Rheinmetall angeklagt.
Daimler werden die Lieferung von Nutzfahrzeugen und Komponenten für die
südafrikanische Armee und Polizei sowie der Verkauf von Lizenzen für
Motoren vorgeworfen, die von der südafrikanischen Armee bei der
Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung eingesetzt wurden. Die
Kooperation sei fortgesetzt worden, auch nachdem die UN-Vollversammlung
1966 das Apartheid-Regime als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«
bezeichnet hatte und 1977 vom UNO-Sicherheitsrat ein Waffenembargo
verhängt worden war.
Wurde die Klage von den Regierungen in Südafrika, den USA und
Deutschland zunächst zurückgewiesen wurde, haben Pretoria und Washington
inzwischen keine Einwände mehr. Allein die deutsche Regierung bleibt bei
ihrer Ablehnung mit der Begründung, der Gerichtsort USA sei nicht legitim.
Die Kampagne »The Star of Apartheid«, getragen von
Nichtregierungsorganisationen wie Khulumani, der Kirchlichen
Arbeitsstelle Südliches Afrika, der Koordination Südliches Afrika
(KOSA), medico und Solidaritätsdienst-international (SODI), will auf die
Verwicklung des Automobilkonzerns in das Apartheid-Regime aufmerksam
machen und öffentlichen Druck ausüben. »Gemeinsam fordern wir die
Anerkennung des begangenen Unrechts, die Öffnung der Archive und
Entschädigungszahlungen für die Opfer«, sagt Dieter Simon von KOSA,
einem bundesweiten entwicklungspolitischen Zusammenschluss.
Die Unterschriftenaktion der Kampagne wird von einem wachsenden Bündnis
von Gruppen unterstützt, darunter attac. Im Herbst sollen die
Unterschriften an den Daimler-Vorstandsvorsitzenden, Dieter Zetsche,
übergeben werden. Nachdem die Mitglieder des Menschenrechtsausschusses
des Deutschen Bundestages über die Klage informiert wurden, stellten die
Fraktionen der Grünen und der LINKEN Kleine Anfragen an die
Bundesregierung. Auch der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Theo
Zwanziger, wurde auf die Klage und die Verwicklungen des Hauptsponsors
der Nationalmannschaft hingewiesen. Die Antworten stehen aus.
»Die Weltmeisterschaft steht wegen der Verwicklungen von Daimler derzeit
im Mittelpunkt der Kampagne«, sagt Anne Jung von medico international.
»Der Einsatz für Entschädigungszahlungen und Gerechtigkeit wird nach der
WM weitergehen, durch öffentlichen Druck und die Fortführung der
juristischen Auseinandersetzung.«
Khulumani und die anderen Träger der Kampagne hoffen, mit der Klage
einen Präzedenzfall zu schaffen, der es in Zukunft erleichtert, dass
Unternehmen wegen Verletzung von Menschenrechten haftbar gemacht werden
können.
* Der Autor ist Projektmanager Afrika bei SODI. Informationen,
Online-Unterschriften, Protest-Postkarten an Daimler-Vorstandschef
Dieter Zetsche finden sich unter www.star-of-apartheid.de.
Aus: Neues Deutschland, 8. Juli 2010
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