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Südafrikas jüngste Partei in der Krise

Zerreißprobe für ANC-Konkurrenz COPE

Von Hans-Georg Schleicher *

Südafrikas jüngste politische Partei, der Kongress des Volkes (COPE), ein Spaltprodukt des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), steht nach dem mäßigen Abschneiden bei den jüngsten Wahlen durch den Rücktritt gleich zweier Prominenter vor eine Zerreißprobe.

Die zweite Vizevorsitzende des COPE, Lynda Odendaal, kündigte ihre Mitgliedschaft auf und schloss den Übertritt in eine andere Partei nicht aus. Sie fühle sich betrogen, COPE sei ein Schwindel. Auch Wahlkoordinator Simon Grindrod sprach von Intoleranz, Spaltung und fehlender Demokratie und legte seine Ämter nieder. Damit nicht genug, blieb die Partei bei Nachwahlen in Gemeinden erfolglos. Ihre stärkste Provinzorganisation Ostkap droht zu zerbrechen. Bei COPE herrscht Katzenjammer.

Dabei galt die Gründung der Partei im Dezember 2008 als wichtiges Ereignis vor der nationalen Wahl 2009. COPE, damals als neue »schwarze« Partei und attraktive Alternative zum ANC gepriesen, blieb bei den Wahlen im April mit 7,4 Prozent der Stimmen jedoch unter den Erwartungen und wurde dem Anspruch einer starken Opposition nicht gerecht. Mit 37 Abgeordneten stellt die Partei nur die dritstärkste Fraktion im Parlament.

COPE steht vor dem Problem, dass die Partei im Ergebnis von Auseinandersetzungen und Spaltungen im ANC entstanden ist. In der sozial und politisch heterogenen Führungsspitze sind Schwarze und Weiße, ehemalige Kommunisten wie auch Unternehmer vertreten. Bei der Suche nach einer Identität offenbart sich die Zerstrittenheit der Partei. Der von COPE-Sprecher Phillip Dexter erhobene Anspruch, als Kongress des Volkes in der Tradition der Befreiungsbewegung zu stehen und eine sozialdemokratische Partei links von der Mitte zu bilden, wird nicht von allen Funktionären geteilt. Selbst Parteichef Mosiuoa Lekota distanziert sich vom Erbe des Befreiungskampfes. COPE sei kein Sammelbecken enttäuschter ANC-Anhänger, sondern eine moderne, auf Regierungsführung orientierte Partei ohne historische Mission.

Bei der Gründung von COPE war man sich vor allem in der Ablehnung des ANC-Chefs Jacob Zumas als künftiger Präsident Südafrikas einig. Nun aber zeigt sich die Heterogenität der Partei sowohl in unterschiedlichen Konzepten als auch in der Individualität ihrer Führer. Der Machtkampf zwischen Lekota und dem ersten Vizechef Mbhazima Shilowa ist ein offenes Geheimnis. Odendaal und Grindrod, beide sind Weiße, unterstützten Lekota. Sie behaupteten, ehemalige ANC-Anhänger wollten COPE kontrollieren. Odendaal, eine erfolgreiche Unternehmerin, beschuldigte Shilowa, einen früheren Gewerkschafter, der Fraktionsbildung.

Die Situation an der Parteibasis ist angespannt, landesweit erwartete man Entscheidungen der Parteiführung. Die aber hatte zunächst jede Krise dementiert, Lekota sprach von Fehlern, aber die Partei sei nicht tot. Am vergangenen Wochenende trat der COPE-Nationalrat zusammen, um die Stabilität der Partei zu sichern. das höchste Entscheidungsgremium forderte Lekota und Shilowa auf, ihren Streit zu beenden. Grindrod wurde suspendiert. Das deutet auf einen Punktsieg Shilowas hin. Es halten sich Gerüchte, wonach Phumzile Mlambo-Ngcuka, die unter Thabo Mbeki Vizepräsidentin Südafrikas war, die angeschlagene Parteiführung stabilisieren soll.

Die Partei durchlebt derzeit eine tiefe Krise. Trotz der mageren Wahlergebnisse im April wollten Beobachter damals nicht ausschließen, dass COPE mittel- und langfristig die Führungsrolle des ANC in Frage stellen kann. Doch ein solches Ziel scheint inzwischen in weite Ferne gerückt zu sein.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2009


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