Herausforderung für den ANC
Südafrikas Regierungspartei sinniert über Umgang mit COPE
Von Hans-Georg Schleicher *
Südafrikas Parteien rüsten zum Wahlkampf. Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC)
sieht sich zum heutigen 97. Gründungstag neuen Herausforderungen gegenüber.
Vor einem Jahr bestimmte der Führungswechsel von Thabo Mbeki zu Jacob Zuma das Jubiläum
des mit Zweidrittelmehrheit im Parlament dominierenden ANC. Aus den damaligen innerparteilichen
Auseinandersetzungen ist der Partei Ende 2008 ein neuer Kontrahent erwachsen -- der von ANCDissidenten
gegründete Volkskongress (COPE).
Mit 4000 Delegierten beim Gründungsparteitag im Dezember und angeblich über 400 000
Mitgliedern präsentiert sich COPE als Alternative zum ANC und wird an diesem Anspruch bei den
Wahlen im April gemessen werden. Der Zulauf prominenter Abtrünniger aus dem ANC ist bisher
bescheiden, anders ist das auf mittlerer Ebene in einigen Provinzen.
Andere Oppositionsparteien sind an der Kooperation mit COPE interessiert -- nicht ohne Risiko,
sollten ihre Mitglieder die neue »schwarze« Partei als attraktive Alternative zum bescheidenen
Einfluss der eigenen Gruppe sehen. COPE ist aber vor allem an Anhängern des ANC interessiert, in
dessen landesweit geachtete Tradition die Partei sich stellt. Der auf die Kongressbewegung der 50er Jahre bezogene Parteiname Volkskongress wurde
juristisch erfolgreich gegen den Widerspruch des ANC durchgesetzt. COPE möchte der bessere
ANC sein, Zyniker sprechen vom »ANC Lite« -- einem ANC ohne Substanz.
Wie geht der ANC mit dieser Herausforderung um? Gibt es -- wie von COPE behauptet -- eine
Vertrauenskrise? Der ANC nimmt die Herausforderung ernst. Er hat den Wahlkampf in der wichtigen
Provinz Westkap, wo COPE unbedingt gewinnen will, zum Schwerpunkt erklärt. Die Provinz war für
den ANC schon immer ein schwieriges Gebiet. Erst kürzlich erlitt er dort Verluste bei Nachwahlen.
Ein anderer Brennpunkt ist die Provinz Ostkap, wo der ANC am Sonnabend sein Wahlmanifest
vorstellt -- es geht um Arbeitsplätze, Kampf gegen die Kriminalität, Verbesserungen in
Gesundheitswesen und Bildung, Landreform und ländliche Infrastruktur. Mit einer öffentlichen
Debatte »Mein ANC, meine Vision, meine Zukunft« mobilisiert die Regierungspartei ihre Anhänger.
Mancher im ANC sieht die Herausforderung durch COPE auch als Chance für das Aufbrechen
verkrusteter Strukturen, mehr Meinungsstreit und größere inhaltliche Profilierung in der eigenen
Partei. Zu den Stärken des ANC gehört neben Tradition und Disziplin auch gesellschaftliche Breite.
Im Befreiungskampf stützte man sich überwiegend auf städtische Gebiete, Townships,
gewerkschaftliche, kirchliche und akademische Strukturen. Gegenwärtig muss politische Kultur in
den eigenen Reihen immer wieder angemahnt, müssen Hitzköpfe wie der Führer der ANCJugendliga,
Malema, zurückgepfiffen werden. Verbale Ausschreitungen, auch einzelne
handgreifliche Attacken eigener Anhänger gegen COPE werden in der Parteiführung kritisiert. Jacob
Zuma forderte, politische Realitäten zu respektieren und mit der alten und der neuen Opposition
konstruktiv zu kooperieren. Für die Wahlen verlangte er Toleranz, Verständnis und Patriotismus.
Die Auseinandersetzungen zwischen ANC und COPE folgen bisher weitgehend den Spielregeln der
jungen Demokratie. Der ANC tut gut daran, an vorhandene pluralistische Traditionen anzuknüpfen
und Größe und Gelassenheit einer Organisation mit fast hundertjähriger Geschichte zu
demonstrieren. Wahlkampf und Wahlen gelten auch als Test für die Reife der Demokratie in
Südafrika.
Bei den Wahlen will der ANC beweisen, dass man die Mehrheit der Wähler weiter hinter sich hat,
COPE will sich als starke Opposition präsentieren, die mittel- und langfristig die Führungsrolle des
ANC in Frage stellen kann. Niemand erwartet Sensationen wie eine Niederlage des ANC oder auch
nur 30 Prozent Stimmen für COPE. Von Journalisten befragte Astrologen und traditionelle Heiler
sahen 2008 einen sicheren Wahlsieg des ANC voraus, in COPE aber eine ernste Bedrohung für
dessen Dominanz -- eine Prognose, die man hätte billiger haben können.
* Neues Deutschland, 8. Januar 2009
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