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Sympathien

Eine Geschichte von Südafrika

Von Ulrich van der Heyden *

Zusammenfassende und gut lesbare Darstellungen zur Geschichte Südafrikas, die sich zudem bis in die jüngste Vergangenheit erstrecken, sind auf dem deutschsprachigen Büchermarkt eher selten. Die wenigen Überblickswerke enden zumeist mit dem Sturz der Apartheid und dem Wahlsieg der ehemaligen Befreiungsorganisation ANC zu Beginn der 1990er Jahre. Dieses Desiderat hat nun Christoph Marx beseitigt. In seinem kenntnisreich und einprägsam geschriebenen Buch werden für Außenstehende oft nicht leicht nachvollziehbare Höhen und Tiefen der südafrikanischen Geschichte in ihren grundlegenden Entwicklungslinien dargestellt, Hintergründe beschrieben und etliche aufhellende Erkenntnisse über die nicht minder komplizierte Gegenwart des Landes an der Südspitze des schwarzen Kontinents vermittelt.

Marx berichtet über das Verhältnis der verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen, den Nachfahren der niederländischen Händler und Siedlern, deutschen und französischen Einwanderern, der ehemaligen Buren sowie den im 19. Jahrhundert am Kap auftauchenden Briten zur angestammten afrikanischen Mehrheit. Einen zentralen Platz in der opulenten Darstellung nehmen die antikolonialen Widerstandsaktionen der afrikanischen Ureinwohner gegen die europäischen Siedler bzw. die britische Kolonialmacht ein. Geboten wird ein exzellenter historischer Abriss über den Kampf des ANC, der leider im Zuge der kürzlich begangenen Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag dieser machtvollen Befreiungsorganisation hierzulande eine verflachte Darstellung erfahren hat.

Das Buch offeriert neben der politischen Ereignisgeschichte mit deutlichem Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert auch facettenreiche Einblicke in die südafrikanische Wirtschafts-, Kultur- und Sozialgeschichte. Marx stützt sich dabei auf internationale Forschungsergebnisse. Etwas kurz geraten sind hier die vielschichtigen Beziehungen Deutschlands zum Land am Kap.

Die Sympathien des Verfassers für die großen Leistungen von Angehörigen des südafrikanischen Volkes, ob schwarzer oder weißer Hautfarbe, werden deutlich. Große Bedenken äußert Marx angesichts aktueller besorgniserregender Entwicklungen, Korruption, Misswirtschaft, Vetternwirtschaft und steigender Kriminalität. Etwas verwundert ist man über manch flapsigen Vergleich, etwa dem zwischen Julius Malemas, dem aus dem ANC ausgeschlossenen ehemaligen Vorsitzenden der Jugendliga, dem der Autor »Dummheit, Provinzialismus und Brutalität« bescheinigt, mit dem ugandischen Diktator Idi Amin. Da liegen wohl doch noch Welten zwischen beiden.

Marx' Buch ist ansonsten allen an den Problemen Südafrikas interessierten Lesern, vor allem auch Schülern und Studenten zu empfehlen. Ausführliche Literaturhinweise eröffnen die Möglichkeit vertiefender Beschäftigung mit den hier behandelten historischen und politikrelevanten Problemen jenes aufregenden, interessanten Landes.

Christoph Marx: Südafrika. Geschichte und Gegenwart. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart. 325 S., br., 29,90 €

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 01. November 2012


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