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Leere Worte von Zuma

Südafrikas Präsident will eskalierende Bergarbeiterstreiks beenden

Von Christian Selz, Kapstadt *

Nach langer – und von vielen Seiten immer stärker kritisierter – Funkstille hat sich Südafrikas Präsident Jacob Zuma am Mittwoch erstmals wieder in die Bergarbeiterstreiks in seinem rohstoffreichen Land eingemischt. Seit Mitte August erschüttern heftige Streiks die südafrikanische Bergbaubranche, Zehntausende Kumpel protestieren für höhere Löhne und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Inzwischen sind über 50 Menschen den Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen, die meisten davon Bergarbeiter, erschossen von der Polizei. Zuma, der sich mitten im Machtkampf um seine Wiederwahl an der Spitze des regierenden African National Congress (ANC) befindet, forderte die Bergarbeiter nun mit vagen Versprechen auf, in die Schächte zurückzukehren. Einzelheiten zu geplanten Maßnahmen nannte er nicht. Doch es ist nicht nur der von südafrikanischen Kommentatoren kritisierte Detailmangel der präsidentiellen Botschaft rund um »ein Paket ökonomischer und sozioökonomischer Maßnahmen«, die den Schlichtungsversuch chancenlos erscheinen läßt. Der Grundfehler ist viel einfacher: Zuma hat mit den falschen Leuten gesprochen.

»Wir versichern den Arbeitern, daß wir ihre Frustrationen und Herausforderungen erkennen, die während der Proteste klarer geworden sind, und um die legitimen Beschwerden wird man sich kümmern«, verklausulierte der bei den Minenarbeitern in seiner Beliebtheit längst ins Bodenlose gestürzte Zuma seine Botschaft. Getroffen hatte er sich zuvor allerdings nicht etwa mit den Streikenden oder ihren Repräsentanten, sondern mit Wirtschaftsverbänden und den Spitzen der von den Arbeitern vehement abgelehnten und wahlweise dem ANC oder den Konzernen loyalen Gewerkschaften. Zumas Antrieb ist dabei allzu leicht durchschaubar: Die Bergbauunternehmen beklagen riesige Gewinnausfälle. Dies wirkt sich auch auf die Steuereinnahmen aus. Die südafrikanische Zentralbank kündigte zu Beginn der Woche bereits eine Revision der Wachstumserwartungen an und die berühmt-berüchtigten Ratingagenturen Standard & Poor‘s und Moody’s könnten mit ihrer jüngsten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Südafrikas und den damit gestiegenen Zinsen den Rest der südafrikanischen Wirtschaft abwürgen. Daß Zuma das Wesen des politisch bedeutendsten Streiks in der südafrikanischen Post-Apartheid-Geschichte dennoch nicht verstehen will oder kann, belegt der Präsident mit Aussagen wie der, daß »das kollektive Lohnverhandlungssystem allgemein einwandfrei« sei. Wäre es das, wären die Zehntausenden Bergleute nicht seit Wochen ohne Lohn und Brot ungeschützt auf der Straße, während die einflußlose, aber mandatstragende Bergarbeitergewerkschaft NUM immer neue »Friedensabkommen« mit den Minenbossen abschließt.

Die Konzerne nutzen die prekäre Situation derweil für Methoden frühkapitalistischer Prägung. So werden Massenunterkünfte der meist aus weit entfernten ländlichen Gegenden stammenden Arbeiter mit Hilfe von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten zwangsgeräumt, Streikversammlungen gewaltsam aufgelöst und Ultimaten gestellt. Beim weltgrößten Platinförderer Anglo American Platinum ist eines davon bereits ausgelaufen, 12000 Kumpel sind – zumindest vorübergehend – fristlos entlassen worden. Während in einer Diamantenmine nahe der Hauptstadt Pretoria gerade der nächste Streik ausgebrochen ist, hat sich der Großteil der ebenfalls mit dem Rauswurf bedrohten 15000 Minenarbeiter des Goldriesen Gold Fields am Donnerstag dem Ultimatum gebeugt. Ein harter Kern der Streikenden kündigte allerdings bereits neue Proteste an.

Die NUM, ansonsten sehr sparsam mit öffentlichen Stellungnahmen, reagierte mit einer umgehenden Gratulationsbotschaft auf die wiederangelaufene Produktion. Und auch der Gewerkschaftsbund COSATU hat sich bei der Seitenwahl festgelegt und am Mittwoch seine Unterstützung Zumas – und damit die Zementierung des Status Quo – bei den ANC-Wahlen im Dezember bekanntgegeben. COSATUs charismatischer Generalsekretär und Zuma-Kritiker Zwelinzima Vavi hat den internen Machtkampf um die letzte Bastion des linken Lagers in der Dreier-Regierungsallianz mit dem ANC und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) damit verloren. Für die Kumpel auf der Straße ist es dagegen ein klares Signal, sich künftig neu organisieren zu müssen. Längerfristig wird wohl auch Zuma nicht mehr nur über sie reden, sondern mit ihnen verhandeln müssen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. Oktober 2012


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