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Verhärtete Fronten

Südafrika: Bergarbeiter weiter im Streik. Sie fordern 1250 Euro Monatslohn

Von Christian Selz *

Der Rauch der Gewehre ist verzogen, die Toten sind begraben, und ginge es nach dem Minenbetreiber Lonmin, sollte die Platin-Förderung in der Marikana-Mine, 80 Kilometer westlich der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria, schnellstens wieder anlaufen. Doch die Kumpel, die vor zwei Wochen 34 ihrer streikenden Kollegen im Kugelhagel der Polizei verloren, stehen noch immer im Streik. Ihre Forderung nach einem deutlich höheren Lohn ist inzwischen zu einer Forderung nach menschlicher Anerkennung und Würde geworden. In der Verwertungslogik des Konzerns ist dafür freilich kein Platz. Das Bergbauministerium hat deswegen eine dreitägige Verhandlungsrunde zwischen der Geschäftsführung, den beiden verfeindeten Gewerkschaften NUM und AMCU sowie Repräsentanten der nicht organisierten Bergleute anberaumt. Vermitteln soll ein Kirchenmann, Lonmin erhofft sich ein »Friedensabkommen«. Der Konzern weigert sich, über die Lohnforderungen zu verhandeln, solange Arbeiter eingeschüchtert würden. Man müsse »zurück zur Normalität, bevor irgendetwas diskutiert werden kann«, so eine Sprecherin.

Doch diesen Frieden, diese »Normalität« wird es mit den in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Kumpeln nicht mehr geben. Und auch die Einschüchterungstheorie der Konzernleitung kann höchstens teilweise herangezogen werden. Nicht einmal acht Prozent der 28000 Bergleute von Lonmins Marikana-Bergwerk, der mit Abstand größten Platin-Mine des weltweit drittgrößten Förderers des Edelmetalls, erschienen am Mittwoch zur Schicht. Vor einer Woche, als die Unruhen noch wesentlich heftiger waren, hatte sich immerhin gut ein Viertel der Kumpel zur Arbeit gemeldet. Doch mit Ausnahme des PR-wirksamen Versprechens, für die Schulkosten der Kinder der erschossenen Bergleute aufzukommen, tat Lonmin bisher kaum etwas zur Versöhnung mit den frustrierten Arbeitern. Im Gegenteil: Ein Ultimatum, nach dem Bergleute, die im Streik blieben, entlassen werden sollten, zog der Konzern erst auf Druck der südafrikanischen Regierung zurück – die ihrerseits nur von der Angst vor neuen Unruhen getrieben war.

»Wir werden uns von der Forderung nach 12500 Rand (umgerechnet 1250 Euro) nicht wegbewegen«, erklärte ein Vertreter der nicht-organisierten Arbeiter. Und während Bergbau-Ministerin Susan Shabangu am Mittwoch eilig versuchte, potentielle und tatsächliche Investoren mit Sicherheitsversprechen zu beruhigen, machen die »Friedensverhandlungen« von Marikana kaum Aussichten auf wirklichen Frieden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 01. September 2012


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