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Warten auf den Regenbogen

Katerstimmung am Kap - 100 Jahre nach der Gründung des ANC

Von Ulrich van der Heyden *

Von den Hoffnungen auf eine »Regenbogennation«, eine von Rassismus befreite demokratische Gesellschaft, wie es sich der erste »schwarze« Präsident Südafrikas, Nelson Mandela, wünschte, ist das Land am Südzipfel des »schwarzen Kontinents« weit entfernt. Zwar sind die gesetzlich sanktionierten rassistischen Bestimmungen, die seit 1948 das gesamte Leben im Land am Kap bis hinein in die Schlafzimmer beeinflussten, mit Beginn der 1990er Jahre offiziell abgeschafft, aber damit ist der Rassismus in den Köpfen der weißen Bevölkerung nicht verschwunden. Zu verzeichnen gibt es zudem auch einen mit Neid und Gewalt gepaarten Rassismus der ehemals unterdrückten Bevölkerungsmehrheit, sowohl zwischen den ethnischen Gemeinschaften als auch zwischen den schwarzen Afrikanern und den »Colourds« sowie indischstämmigen Bürgern.

Der Frust der Armen, egal welcher ethnischen Gruppierung sie angehören, ist in der letzten Zeit angestiegen. Korruption, politisches Missmanagement, Arbeitslosigkeit, kurz: schlechte Regierungsführung, hat auch die Enttäuschung unter den ehemaligen Befreiungskämpfern anwachsen lassen. Die Abwanderung von Fachkräften, vor allem aus den gut ausgebildeten weißen Bevölkerungsteilen, eine hohe AIDS-Rate und die alle Lebensbereiche überschattende Gewalt und Kriminalität lassen nicht viel Hoffnung keimen im sonnigen Land im Süden Afrikas. Darüber wird hierzulande jedoch kaum berichtet, zu groß ist wohl die noch alten Idealen und Vorstellungen von einer geläuterten Welt anhaftende Vorstellung Interessierter. Negativmeldungen werden negiert oder schöngeredet.

Wider solche Ignoranz hat die sich für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit in kirchlichen Kreisen der Bundesrepublik engagierende Journalistin und vormalige Chefredakteurin des entwicklungspolitischen Magazins »Der Überblick«, Renate Wilke-Launer, einen Sammelband herausgegeben, in dem prominente und kompetente südafrikanische Intellektuelle zu Wort kommen. Sie berichten über die wahren Zustände in ihrem Land, das sich nach dem Ende der Apartheid neu zu erfinden suchte und dabei ins Stolpern geraten ist. Die zehn Autorinnen und Autoren waren alle im Befreiungskampf aktiv oder im Exil. Nach Beendigung der Apartheid hatten sie unterschiedliche Führungspositionen inne, zumeist im akademischen Bereich.

Die Verfasser der geradezu spannend zu lesenden Aufsätze diskutieren nicht einheitlich, benennen teils sehr unterschiedliche Gründe für die verfahrene Situation, die man als Tourist kaum wahrnimmt. Sie argumentieren kontrovers, kritisch, schonungslos und durchaus nicht resignierend oder kapitulierend. In mehr oder minder systematischen Fallbeispielen wie auch in Überblicksdarstellungen wird auf die zu wenig praktizierte Abgrenzung von Regierungspartei und Staat sowie immer wieder auf Korruption und Kriminalität eingegangen.

Hat man diese Aufsätze gelesen, wundert man sich nicht mehr, dass nach dem euphorischen Aufbruch vor gut 20 Jahren nunmehr politische Katerstimmung am Kap herrscht. Es sind keine Beckmesser, die sich hier zu Wort melden, sondern politisch verantwortungsvoll denkende und handelnde Menschen, die ihre Kritik an den Zielen und Idealen des Befreiungskampfes und den Ideen von Mandelas »Regenbogennation« messen. Sie plädieren, so die Herausgeberin in ihrem Vorwort, »angesichts der Schwäche und Zerstrittenheit der Regierung für einen Neuanfang - ein inspirierendes Miteinander von Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft«. Möge diese Hoffnung zur Realität werden!

Renate Wilke-Launer (Hg.): Südafrika. Katerstimmung am Kap. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt am Main. 249 S., br., 24,90 €.

* Aus: neues deutschland, 21. Januar 2012


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