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Korruption und Nebelbomben

Südafrika: Streik um Hungerlöhne. Skandal um ANC-Jugendliga-Präsident Malema

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Südafrika ist das Land mit der weltweit größten Schere zwischen Arm und Reich, und dennoch könnten die Schlagzeilen, die derzeit das Land beherrschen, kaum widersprüchlicher sein. Während Hunderttausende Reinigungskräfte für existenzsichernde Mindestlöhne streiken, läßt sich Julius Malema, Präsident der ANC-Jugendliga (ANCYL) und selbsternanntes Sprachrohr der Armen, einen Bunker unter seine Villa bauen. Wegen eines geheimen Wohltätigkeitsfonds, den Malema für Schmiergeldzahlungen von Geschäftsleuten benutzt haben soll, steht der 30jährige jetzt am Pranger.

Seit dem Ende der Streiks im Bergbausektor, die Hunderttausende Kumpel auf die Straße trieben, sind gerade zwei Wochen vergangen, da droht bereits der nächste Arbeitskampf, Südafrika lahmzulegen. Die Beschäftigten im Reinigungsgewerbe waren bereits in der Vorwoche auf die Straßen gegangen, nun wollen ab dem heutigen Montag 200 000 Arbeiter kommunaler Betriebe nachziehen. Ihnen geht es um Lohnerhöhungen von 18 Prozent – oder umgerechnet 200Euro mindestens. Das Reinigungspersonal fordert zehn Prozent, aber mindestens 420 Euro. Das Angebot der Kommunen in Höhe von sechs Prozent lehnte die Gewerkschaft der südafrikanischen Kommunal-Arbeiter SAMWU vor dem Hintergrund einer Lebensmittelinflation von acht Prozent, steigender Transportkosten und einer 30-Prozent-Erhöhung der Strom-Tarife als »vollkommen unakzeptabel« ab.

Der Gewerkschaftsbund COSATU nutzte die Debatte derweil für einen Seitenhieb auf Geschäftemacher in den Reihen der eigenen Regierungsallianz, der die Gewerkschaften neben dem ANC von Präsident Jacob Zuma und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) angehören. »Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß das Reinigungsgewerbe ein lukratives Geschäftsfeld für Unternehmer geworden ist, die strategisch wichtige Machtpositionen in unserer Bewegung und im Staat für ihre primitiven und eigensinnigen Bereicherungsinteressen nutzen. Diese Profite aus staatlichen Reinigungsaufträgen werden auf Golfplätzen und bei opulenten Partys verpraßt, wo Essen auf den Körpern nackter Frauen serviert wird«, ließ Castro Ngobese, Sprecher der Metallarbeiter-Gewerkschaft NUMSA, in einer erstaunlich direkten Solidaritätsadresse wissen.

Für besagte Sushi-Partys war ein Spezi Malemas verantwortlich, lukrative Geschäfte soll der ANCYL-Präsident selbst eingefädelt haben, unter Ausnutzung seiner politischen Position und gegen stolze Bezahlung. Wie ein anonymer Geschäftsmann der Zeitung City Press verriet, habe er selbst umgerechnet 20000 Euro auf das Spendenkonto einer von Malema im Namen seines fünfjährigen Sohnes registrierten Organisation überwiesen – im Gegenzug für einen öffentlichen Auftrag. Inzwischen tauchen Meldungen über weitere, noch höhere Zahlungen auf. Malema bestreitet die Vorwürfe, behauptet, er verwende das Geld »für die Armen«, kann dies aber nicht belegen. Der polarisierende Politiker hatte sich in der Vergangenheit häufig selbst als »arm« bezeichnet und trotz seines luxuriösen Lebensstils behauptet, lediglich ein normales ANC-Gehalt zu beziehen.

Indes ließ die ANCYL mitten in der Debatte mit einer Pressemitteilung aufhorchen, in der sie einen »Regimewechsel« im benachbarten Botswana forderte und sich damit den Zorn der Mutterpartei einhandelte. Ihren angestrebten Nutzen hat Malemas offensichtliche Nebelbombe allerdings deutlich verfehlt: Der ANC vertagte ein anberaumtes Treffen mit der neu gewählten Jugendliga-Führung nach eigenen Angaben, um zunächst die politischen Differenzen auszuräumen. Und die auf Korruptionsdelikte spezialisierte Sondereinheit Hawks hat inzwischen ein Verfahren gegen Malema eröffnet.

* Aus: junge Welt, 15. August 2011


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