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Rebellion der Nachwuchskader

Südafrika: ANC-Jugendliga stellt sich gegen ihre Mutterpartei

Von Christian Selz, Kapstadt *

Mit einer Demonstration ihrer Stärke hat die Jugendliga der südafrikanischen Regierungspartei African National Congress (ANC) am Sonntag auf den Parteiausschluß ihres Präsidenten Julius Malema durch die Disziplinarkommission der Mutterorganisation reagiert. »Der Präsident der ANC-Jugendliga (­ANCYL) wird niemals durch einen Prozeß abgesetzt werden, der nicht die Teilnahme ihrer Mitglieder einschließt«, erklärte Jugendliga-Generalsekretär Sindiso Magaqa nach einer außerordentlichen Sitzung des Exekutivkomitees.

Malema geht derzeit in einem Berufungsverfahren gegen zwei gegen ihn unabhängig voneinander verhängte Parteiausschlüsse vor. Hauptvorwurf des ANC gegen den Jungpolitiker ist, daß er zum Umsturz im Nachbarland Botswana aufgerufen, den südafrikanischen Staats- und ANC-Präsidenten Jacob Zuma in einem internen Flügelkampf mehrfach angegriffen und diesen schließlich als Diktator bezeichnet hatte.

Zuma hatte gehofft, sich des Rebellen Malema nach dessen Ausschluß durch nachrückende Kader innerhalb der Jugendliga entledigen zu können. Solche Erwartungen hat die ANCYL am Sonntag zerstört. Trotz einer bekanntgewordenen Spaltung im Verband fand sich offenbar kein »Königsmörder«. Dennoch überrascht das Statement, denn die Jugendliga ist ihren eigenen Statuten zufolge fest an die Mutterpartei gebunden. Deren Sprecher Jackson Thembu wies die Resolution deshalb zurück. Mit der Entscheidung, das Urteil der Disziplinarkommission zu ignorieren, stelle sich die ANCYL »praktisch außerhalb der Grenzen der ANC-Statuten«.

Doch um eine tatsächliche Abnabelung geht es der auf Parteikarrieren spekulierenden Jugendliga-Führung nicht. Im Vordergrund steht die Rettung ihres Einflusses bei gleichzeitiger Profilierung der in Ungnade gefallenen Spitze.

Der als ultranationalistisch geltende Führungszirkel um Malema hatte in der Vergangenheit mit Parolen nach Verstaatlichungen im Bergbausektor und Landenteignungen ohne Entschädigungen Schlagzeilen gemacht. Zwar ist das Programm hinter solchen radikalen Forderungen so dünn, daß selbst die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) sowie der Gewerkschaftsbund ­COSATU ihnen die Unterstützung versagen, doch an der Basis und insbesondere bei der perspektiv- und weitgehend arbeitslosen Jugend konnte Malema damit punkten. Zu langsam geht die Landreform des ANC voran, zu wenig profitiert Südafrika von seinen Bodenschätzen. Malema konnte sich daher gegen den unentschlossenen und investorenfreundlich agierenden Zuma als »Retter der Entrechteten« stilisieren.

In den internen Disziplinarverfahren spielten die inhaltlichen Fragen bislang keine Rolle. Seit Sonntag ist jedoch nicht mehr unwahrscheinlich, daß sich Zuma den Verstaatlichungs- und Enteignungsdebatten stellen muß. Die Jugendliga fordert ein Treffen mit der ANC-Führung, um die Differenzen politisch zu lösen, und fragt, warum die Parteiführung ihren Nachwuchsverband kaltstellen will. Im Protokoll ihrer letzten turnusmäßigen Sitzung im Februar hatte die ANCYL-Leitung dabei selbst festgehalten, daß »der gesamte Prozeß der Disziplinarverfahren politisch motiviert« sei und »die ideologischen Kämpfe der ANCYL, insbesondere zur Verstaatlichung der Minen und zu Landenteignungen ohne Entschädigung« unterdrücken solle. Generalsekretär Magaqa rief deshalb alle Mitglieder der Jugendliga zur Teilnahme am ANC-Programmparteitag im Juli auf.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. April 2012


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